Hanswürste des Tages: EU-Botschafter
Von Matthias István Köhler
Wenn es um Sandwiches geht, versteht man auf der Insel keinen Spaß. Vor einigen Tagen machte die Nachricht die Runde, dass niederländische Zollbeamte britischen Lkw- und Pkw-Fahrern an der Grenze ihre labbrigen, mit Käse und Salami belegten Stullen abnahmen. Neue Bestimmung: Nach dem Austritt aus der EU dürften sie kein Essen mehr einführen – keine Wurst, keine Milch, kein Gemüse. Nichts. »Willkommen zum Brexit«, erklärte einer der Zollbeamten einem verdutzten Briten.
Eine Demütigung, die London nicht auf sich sitzen lassen konnte. Folgt nun die Retourkutsche? Wie am Donnerstag bekannt wurde, soll den EU-Vertretern im Vereinigten Königreich ihr diplomatischer Status entzogen werden. Der EU-Botschafter João Vale de Almeida (siehe Bild) wird dann wie ein gewöhnlicher Mitarbeiter einer internationalen Organisation behandelt werden, nicht mehr wie der Vertreter eines souveränen Staates. Damit entfielen die unter der Wiener Konvention garantierte diplomatische Immunität und andere Privilegien wie Steuerfreiheit.
Abgaben zahlen wie jeder andere Hanswurst auch? Keine Pirouetten mehr auf dem diplomatischen Parkett? Ein Affront. Aber es wird noch wilder: Denn in der Konsequenz könnte das sogar heißen, dass der EU-Vertreter nicht mehr – wie andere Botschafter – von der Queen zur Audienz empfangen wird.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell äußerte sich daher mit »schwerer Besorgnis« über Londons Entscheidung. Sie würdige weder den »besonderen Charakter der EU« noch das »künftige Verhältnis zwischen EU und Vereinigtem Königreich«. Vielleicht aber eben doch. Vielleicht würdigt London eben auf diese Weise die elenden Austrittsverhandlungen und alle Demütigungen, die es in Zukunft noch von Brüssel zu erwarten haben wird. Denn die konfiszierten Wurststullen sind nicht vergessen. Willkommen zum Brexit.
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vom 22.01.2021