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Aus: Ausgabe vom 30.09.2020, Seite 3 / Schwerpunkt
Berg-Karabach

Hintergrund: Vollkommen ­abhängig

Die »Republik Berg-Karabach« – oder Arzach, wie sie sich selbst nennt – liegt am Ostabhang des Kleinen Kaukasus. Die Berge, die der Region den Namen geben, erheben sich auf bis zu 3.340 Meter. Auf einer Fläche von knapp 12.000 Quadratkilometern leben laut Volkszählung von 2015 rund 150.000 Menschen. Die vor dem Sezessionskrieg der neunziger Jahre national gemischte Bevölkerung ist inzwischen zu über 99 Prozent armenisch. Mit Ausnahme der Hauptstadt Stepanakert (50.000 Einwohner) weisen sämtliche Städte der Region heute geringere Bevölkerungszahlen auf als vor 1990. Teilweise sind sie – wie etwa Agdam oder Schuscha – heute zerstört, oder die Einwohnerzahl liegt nur noch bei einigen hundert.

International ist die »Republik« nicht anerkannt, sie befindet sich in einer Zoll- und Währungsunion mit Armenien. Auch die Einreise ist nur über Armenien möglich. Das Auswärtige Amt warnt allerdings nachdrücklich vor solchen Reisen. Die regionale Wirtschaft produzierte immer nur für den lokalen Bedarf. Was zu sowjetischen Zeiten aufgebaut worden war, wurde im übrigen während des Sezessionskriegs zerstört. Der Neuanfang begann bei Null und hätte ohne umfangreiche Spenden der armenischen Diaspora im vor allem angelsächsischen Ausland die eigenen Kräfte und sicher auch die Armeniens überstiegen. Aus solchen Spenden wurden ebenso eine eigene Brauerei wie auch eine neue Fernstraße zwischen dem armenischen Kernland und Karabach finanziert. Damit erweist sich die Unabhängigkeit weitgehend als ein Projekt der ultranationalistischen armenischen Diaspora. In Einzelfällen ist es deren Lobbyisten gelungen, auch offizielle US-Entwicklungshilfemittel zu akquirieren, wobei man über die zwielichtige Rolle von Institutionen wie USAID neben der offiziellen Außenpolitik kein Wort zu verlieren braucht. Offiziell erkennt Washington die Republik diplomatisch nicht an, unterhalb der offiziellen Ebene haben seit 2012 bisher sechs US-Bundesstaaten – darunter auch ein so großer wie Kalifornien – in Resolutionen ihrer Staatsparlamente die »Unabhängigkeit« von Berg-Karabach symbolisch »gewürdigt«. Praktisch hat das so viel oder so wenig Bedeutung wie der Flirt des früheren hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch mit dem Dalai Lama.

Extrem hoch ist der Grad der Militarisierung der Republik. Mit offiziell 23.000 Soldaten umfasst das Militär knapp 16 Prozent der Gesamtbevölkerung bzw. ein rechnerisches Drittel ihres männlichen Teils. Allerdings sollen, wie die Bundesregierung 2018 auf eine Anfrage der Partei Die Linke mitgeteilt hatte, etwa 8.000 dieser Soldaten in Wahrheit aus dem armenischen Kernland stammen und im Rahmen ihres Wehrdienstes nach Berg-Karabach abkommandiert sein. (rl)

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