Begleitprogramm aus Moskau
Von Reinhard Lauterbach
Russland demonstriert parallel zum derzeit laufenden NATO-Gipfel trotz aller Kooperationsangebote die Leistungsfähigkeit seiner Streitkräfte. In den Tagen vor dem Treffen der Staats- und Regierungschefs des westlichen Militärbündnisses in London mehrten sich Tests und Übungen russischer Einheiten.
Das größte Aufsehen erregte bei NATO-Militärs offenbar ein Großmanöver von U-Booten der russischen Nordmeerflotte im Arktischen Ozean und im Nordatlantik. Bereits Ende November hatte der norwegische Geheimdienst Alarm geschlagen, dass ein Verband von zehn U-Booten, mindestens acht davon atomar angetrieben, versuche, aus der Barentssee durch die Dänemarkstraße – das Seegebiet zwischen Island und Grönland – in den Nordatlantik zu gelangen. Alles in internationalen Gewässern und deshalb formal nicht zu beanstanden. Aber für die westlichen Militärs trotzdem ein Zeichen: Russland versuche offenbar, so zitierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) am Mittwoch ihre Informanten, zu demonstrieren, dass seine U-Boote im Kriegsfall bis in Schussentfernung von der US-Ostküste kommen könnten. Dabei tauchten die Boote weit tiefer als normalerweise üblich. Besonders ärgerlich laut FAZ: Die neuen Raketen, mit denen die russischen Boote ausgerüstet seien, hätten mit möglicherweise bis zu 8.000 Kilometern eine Reichweite, die es der russischen Marine ermögliche, sich nicht besonders weit von ihren Basen entfernen zu müssen, um Ziele in den USA zu erreichen. Die NATO nehme dies so ernst, dass sie von einer »ernsthaften Bedrohung« ihrer Seeverbindungen spricht.
Der Generalsekretär der Kriegsallianz, Jens Stoltenberg, signalisierte zumindest verbale Zurückhaltung gegenüber Russland. In einem Interview für eine Reihe europäischer Zeitungen, darunter die Süddeutsche und die polnische Rzeczpospolita, erklärte Stoltenberg, die NATO definiere Russland nicht als »Feind«. Die Abschlusserklärung des Londoner Gipfels beteuerte denn auch, man sei »zum Dialog mit Russland bereit« – freilich zu den eigenen Bedingungen und wenn »Russland die Voraussetzungen dafür schafft«.
Das Wichtige versteckte Stoltenberg im Kleingedruckten: die Klarstellung, dass die NATO offenbar nicht bereit ist, die Ukraine bei der militärischen Rückeroberung der Krim zu unterstützen. Stoltenberg kleidete dies in die Formulierung, es gelte zu verhindern, dass sich etwas wie der »bewaffnete Angriff Russlands auf einen Nachbarstaat« gegenüber einem NATO-Mitgliedsland »wiederholen« könne. Das ist nicht mehr weit von einer De-facto-Anerkennung der Übernahme der Krim durch Russland entfernt.
Parallel zu dem U-Boot-Manöver im Eismeer führte Russland in den letzten Tagen auch demonstrativ Tests anderer innovativer Waffensysteme durch. So berichtete die Moskauer Zeitung Iswestija Ende November, ein Flugzeug vom Typ MiG-31 habe erstmals einen hyperschallschnellen Marschflugkörper vom Typ »Kinschal« erfolgreich auf ein Ziel auf einem Truppenübungsplatz im nördlichen Ural abgefeuert. Der »Kinschal«, zu deutsch: »Dolch«, sei dabei mit zehnfacher Schallgeschwindigkeit geflogen – viel zu schnell, als dass er von westlichen Raketenabwehrsystemen abgefangen werden könnte.
Die Meldung ist auch deshalb von Bedeutung, weil sie zeigen soll, dass Russland ungeachtet technischer Rückschläge und menschlicher Verluste an der Entwicklung seiner Waffen der neuesten Generation festhält. So waren im Juli bei einem Brand im Akkumulatorenraum eines hochgeheimen Tiefsee-U-Boots im Nordmeer 14 Besatzungsangehörige ums Leben gekommen. Bei ihrer Beerdigung sagte ein hochrangiger Offizier, sie hätten unter Einsatz ihres Lebens eine »Katastrophe von planetarischem Ausmaß« verhindert, was genau passierte, wird von Russland geheim gehalten. Wenig später explodierte am 9. August dieses Jahres an der Eismeerküste offenbar eine nukleare Sprengladung für eine dieser neuen Waffen unkontrolliert und tötete mehrere der an dem Test beteiligten Spezialisten. Sie wurden wie die ums Leben gekommenen U-Boot-Soldaten posthum als »Helden Russlands« ausgezeichnet.
Leserbriefe zu diesem Artikel:
- Istvan Hidy: Keine Alternative Unlängst galt noch, dass Russland wegen seiner territorialen Größe unbesiegbar und die USA wegen ihrer Lage unangreifbar sind. Heute stimmen beide Thesen nicht mehr, die Russen könnten die USA mit ein...
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