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Aus: Ausgabe vom 26.04.2019, Seite 15 / Feminismus

Heiko Maas und die gefangenen IS-Kämpfer

Berlin. Kurdische und feministische Organisationen verlangen von Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD), konsequenter gegen die Straflosigkeit von sexualisierter Gewalt in bewaffneten Konflikten vorzugehen. Nach der entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrats am Dienstag erinnerte das Kurdische Zentrum für Öffentlichkeitsarbeit Civaka Azad daran, dass die deutsche Bundesregierung sich weigere, Verantwortung für gefangene deutsche Exkämpfer der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) zu übernehmen: »Ausgerechnet Heiko Maas, der sich vor den UN öffentlichkeitswirksam gegen die Straflosigkeit dieser Täter ausspricht, tut nichts, um diese einem ordentlichen Strafverfahren zuzuführen«, kritisierte Civaka Azad am Mittwoch. »In Gefängnissen der kurdischen Autonomieverwaltung von Nord- und Ostsyrien sitzen über 1.300 ausländische IS-Mitglieder, denen schwerste Verbrechen zur Last gelegt werden, sie kommen auch aus den USA, Frankreich und der Bundesrepublik.« Den deutschen Behörden sei »umfangreiches Belastungsmaterial zur Verfügung gestellt« worden. Der Bundesnachrichtendienst sei »vor Ort« gewesen, und es gebe inzwischen 18 Haftbefehle gegen deutsche IS-Mitglieder. Maas blockiere aber die Überstellung der Gefangenen und lasse die nordsyrische Selbstverwaltung mit dem Problem allein, was fadenscheinig damit begründet werde, dass es in Syrien keine konsularische Vertretung gebe.

Ibrahim Murad, Repräsentant der kurdischen Selbstverwaltung von Nord- und Ostsyrien in Berlin, habe von mehrfachen Kooperationsangeboten an das Auswärtige Amt berichtet – und von »konkreten Vorschlägen, wie eine Überstellung organisiert werden könnte«. Das Amt leugne aber diese Angebote, wie die Bundesrepublik generell Kontakte mit der nordsyrischen Selbstverwaltung abstreite, »obwohl sie als Teil der internationalen Koalition vor Ort einen direkten, offiziellen Kontakt mit den Verantwortlichen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDK) pflegt«, so Civaka Azad. »Doch die Sensibilität der türkischen Regierung scheint wichtiger zu sein als die eigenen Wertvorstellungen – entgegen der Verlautbarung von Heiko Maas vor den UN.« Maas hatte sich dort neben Friedensnobelpreisträgerin Nadia Murad und US-Schauspielerin Angelina Jolie für die Resolution ausgesprochen. Wenn er das ernst meine, müsse er dafür sorgen, »dass die IS-Gefangenen entweder vor ein deutsches Gericht oder – wie von den nordostsyrischen Autonomiebehörden vorgeschlagen – vor ein internationales Sondergericht gestellt werden«, so Civaka Azad. Weiterverbreitet wurde die Erklärung am Mittwoch auch von der feministischen Partei Die Frauen. (jW)

Leserbriefe zu diesem Artikel:

  • Georg Dovermann, Bonn: Täterschutz von oben Wie man sich sicherlich erinnert, war es den Siegermächten und der damals recht breiten betroffenen deutschen Bevölkerung möglich, den Kriegsverbrecherprozess in Nürnberg zu eröffnen und auch Urteile ...

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