»Letztlich profitieren nur wenige große Konzerne«
Von Steffen Stierle
Für nichts gibt die EU soviel Geld aus wie für die Gemeinsame Agrarpolitik, GAP. Sie haben trotzdem viel Kritik. Warum?
In der Tat fließt enorm viel Geld in die Landwirtschaft, doch der Großteil der Mittel wird unqualifiziert pro Hektar ausgeschüttet. Im Ergebnis gehen 80 Prozent der Subventionen an nur 20 Prozent der Betriebe. Das ist ungerecht und trägt erheblich dazu bei, dass immer mehr kleine Betriebe schließen müssen. Doch gerade diese stellen im ländlichen Raum viele Arbeitsplätze, weil eine Weiterverarbeitung der Agrarprodukte, etwa in Form einer Bäckerei, einer Mühle oder eines Schlachters, daran gekoppelt ist. Die schlechte Verteilung der GAP-Fördermittel schadet daher dem ländlichen Raum.
Hinzu kommt die ökologische Komponente. Zu Recht wird an uns Landwirte der Wunsch nach mehr Klimaschutz, artgerechter Tierhaltung usw. herangetragen. Das sind auch unsere Ziele, denn wir sind die ersten, die der Klimawandel trifft. Aber von der Politik werden Anreize gesetzt, zu wachsen und für den Weltmarkt zu produzieren. Das ist ein Widerspruch. Wenn die Landwirtschaft ihren gesellschaftlichen Auftrag erfüllen soll, darf die Agrarförderung nicht in die entgegengesetzte Richtung wirken.
Derzeit wird auf EU-Ebene über eine Reform der GAP verhandelt. Die Kommission will den Mitgliedsstaaten mehr Flexibilität ermöglichen, damit sie spezifische regionale Herausforderungen besser berücksichtigen können. Ein sinnvoller Ansatz?
Die Vorschläge sind schwammig. Die Mitgliedsstaaten sollen alles festlegen, aber es gibt keine Rahmenbedingungen wie etwa Mindestbudgets oder Mindestbeträge für ökologische Leistungen. Auch bei den sozialen Instrumenten wie der Kappung der Förderbeträge für Großbetriebe bleibt die Kommission unkonkret. Mit einem zahnlosen Tiger tut die Kommission weder sich noch uns Bauern einen Gefallen.
Damit der Tiger Zähne bekommt, müssen die Mitgliedsstaaten mitziehen. Wie bewerten Sie die Rolle der deutschen Regierungen bei den Verhandlungen auf EU-Ebene?
Natürlich hat Deutschland in der EU eine gewichtige Stimme – und damit auch die starke Lobby des Deutschen Bauernverbandes. Agrarministerin Julia Klöckner hat sich von Anfang an gegen eine verbindliche Kappungsgrenze gestellt. Der starke Einfluss Deutschlands auf die EU-Agrarpolitik und der starke Einfluss des Bauernverbandes auf die Position des Agrarministeriums sind deutlich sichtbar. Das war schon in der Vergangenheit so, etwa bei der letzten GAP-Revision 2013, als ambitionierte ökologische Ziele diskutiert wurden, das Ganze letztlich aber Deutschland scheiterte. Deshalb wollen wir Bauern am Samstag gemeinsam mit der Zivilgesellschaft Druck machen.
Ein weiteres wichtiges Thema der Demo ist die Ernährung. Sie sagen: Essen ist politisch. Was ist gemeint?
Wir brauchen in der gesamten europäischen Ernährungskultur und auch in der Agrarpolitik eine Fokussierung auf Qualitätserzeugung. Wir müssen weg vom Gedanken, den billigsten Liter Milch für China oder die billigste Hähnchenkeule für Afrika zu produzieren. Davon haben wir Landwirte nichts, davon haben die Leute am Fließband nichts, die den Schweinen im Akkord die Hälse durchschneiden, und davon haben die Verbraucher nichts. Letztlich profitieren nur wenige große Konzerne. Deshalb müssen wir weg von der Weltmarktorientierung und hin zu lokaler Qualitätserzeugung.
Was dürfen Menschen erwarten, die am Samstag ans Brandenburger Tor kommen, um sich Ihrem Protest anzuschließen?
Das Besondere an der Demo ist, dass Bauern, Verbraucher, Tier- und Umweltschützer sowie Eine-Welt-Organisationen gemeinsam auf die Straße gehen. Wir Bauern werden mit rund 100 Traktoren in die Stadt fahren und uns um 12 Uhr am Brandenburger Tor mit den anderen Demonstranten treffen. Das ist ein besonders schöner Moment. Von dort aus gibt es einen Rundkurs am Auswärtigen Amt vorbei, wo zeitgleich ein internationales Agrarministertreffen stattfindet. Dort schlagen wir mit Kochtöpfen Alarm. Die Abschlusskundgebung findet dann wieder am Brandenburger Tor statt.
Der Landwirt Phillip Brändle ist Mitglied im Vorstand der »Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft« (AbL) und einer der Organisatoren der »Wir haben es satt«-Proteste
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vom 19.01.2019