Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Gegründet 1947 Donnerstag, 28. März 2024, Nr. 75
Die junge Welt wird von 2767 GenossInnen herausgegeben
Jetzt zwei Wochen gratis testen. Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Jetzt zwei Wochen gratis testen.
Aus: Ausgabe vom 01.11.2018, Seite 10 / Feuilleton
Film

Schön koscher

Von René Hamann

Wie viele Konflikte passen in einen einzigen Film? Also, man nehme: einen Schwulen namens Thomas, der eine Affäre mit einem heterosexuell verheirateten Mann hat, der außerdem noch Jude ist bzw. Israeli und in Jerusalem wohnt, während er selbst als Bäcker in Berlin arbeitet: Das reicht gewöhnlich schon für eine ganze Vorabendserie über 48 Folgen, ist in diesem kleinen, süßen Arthouse-Film »The Cakemaker« aber längst nicht alles. Denn jetzt kommt auch noch der Tod ins Spiel und somit eine ferne Sehnsucht, ein Orts- und Perspektivwechsel von Berlin nach Jerusalem, die Trauer, ein freier Arbeitsplatz und eine Witwe, die sich in den ehemaligen Liebhaber ihres tödlich verunglückten Manns Oren (der auf seinen Berlin-Trips Thomas kennen- und liebengelernt hat) verliebt, für den koscher backen in einer Bäckerei in Jerusalem eine echte Herausforderung ist. Jetzt vielleicht noch ein wenig Palästina-Konflikt, mehr geht eigentlich nicht. Das Interessante ist, dass dieser Film gar nicht auf Drama setzt, sondern eher auf Stille und Genuss. Kann das gutgehen, was sich da zwischen Anat, der Witwe, und dem schwulen deutschen Exilanten Thomas entwickelt? Natürlich nicht, denkt man. Es ist schön anzusehen, wie der israelische Filmemacher Ofir Raul Graizer in seinem Langfilmdebüt die Politik erst einmal außen vor lässt, und statt dessen feinfühlig auf Keks und Liebe setzt. Eine bizarre Dreieckskonstellation mit abwesendem Dritten und drum herum reichlich Kulinarisches. Das Drama entfaltet sich also betont vorsichtig, fast genussvoll; der, sagen wir, gesamtgesellschaftliche Kontext wird dabei nicht ausgeblendet, sondern wirkt in die Handlung wie eine moderat beigemischte Zutat. Insgesamt erinnert das tatsächlich an »Chocolat« mit Juliette Binoche oder an »Eat Drink Man Woman« von Ang Lee: Nach diesem Film bekommt man unbedingt Appetit, will man sich unbedingt mit Törtchen vollstopfen, schon der süßen Liebe wegen, oder sich mal nach koscher backenden Bäckern in Berlin umgucken. Nur, davon gibt es wahrscheinlich nicht so viele.

»The Cakemaker«, Regie Ofir Raul Graizer, Deutschland/Israel 2018, 105 Minuten, Filmstart heute

Mehr aus: Feuilleton