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Aus: Ausgabe vom 29.12.2012, Seite 16 / Aktion

Brutalstmögliche Aufklärung

Von Dietmar Koschmieder
Der Herr ganz links auf dem Foto ist Jörg Ziercke. Seit 2004 BKA-Präsident, in seine Dienstzeit fallen also die meisten Verbrechen der NSU-Mörderbande. Nun sage aber niemand, Herr Ziercke hätte einfach eine ruhige Kugel geschoben. Er, sein Amt und seine Agenten hatten schon immer viel zu tun. Erinnern Sie sich zum Beispiel noch an Gerhard Lehmann? Der trieb sich im Auftrag Deutschlands in der halben Welt herum, er ließ sogar ein Buch über sich als Deutschlands Top-Spion veröffentlichen, inklusive diverser Bettgeschichten. Unter Pseudonym, versteht sich. Auf ihn fiel ein grausamer Verdacht: Der Ulmer Geschäftsmann Khaled Al Masri wurde 2003 in Mazedonien festgenommen, nach Afghanistan verschleppt und dort gefoltert sowie von einer deutsch sprechenden Person namens »Sam« verhört. Unbestritten ist, daß deutsche Behörden und Regierungsvertreter von der illegalen Gefangennahme wußten. Nach Bekanntwerden des Verdachtes kümmerte sich Ziercke persönlich um den Fall und hing in seinen Amtsstuben am 24. Februar 2006 ein Schreiben aus, in dem es unter der Überschrift »Die Amtsleitung informiert« hieß: »Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter… In den vergangenen Tagen haben verschiedene Medien berichtet, daß möglicherweise ein Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes die Person des ›Sam‹ sei. El Masri habe diesen Mitarbeiter im Rahmen einer Gegenüberstellung ›zu 90 Prozent identifiziert‹. (…) Der in Rede stehende Beamte ist definitiv nicht die Person ›Sam‹. Bei Sam handelt es sich auch nicht um einen sonstigen Mitarbeiter des Bundeskriminalamtes. (…). Die Amtsleitung des BKA stellt sich deutlich hinter den Beamten und behält sich weitere Schritte vor, um das Bundeskriminalamt und seine Beamten vor ungerechtfertigten Verdächtigungen zu schützen. Mit freundlichen Grüßen Jörg Ziercke.«

Die weiteren Schritte betrafen dann insbesondere die Tageszeitung junge Welt. Denn die sprach nicht von einem »in Rede stehenden Beamten«, sondern nannte dessen Klarnamen: Topspion Lehmann. Mehrfach wurde nun die Berichterstattung der jungen Welt angegangen, von 2006 bis 2008 wurden Gerichte in Berlin, Köln und Hamburg bemüht, in der Regel über mehrere Instanzen und in der Regel ohne Erfolg. Obwohl als Kläger jedesmal Topspion Lehmann auftrat, lief sämtliche Korrespondenz über das BKA – und wurden sämtliche Rechnungen vom BKA beglichen. Wenn es darauf ankommt, ist das BKA und Herr Ziercke eben doch sehr engagiert. Al Masri bekam wenigstens im Dezember 2012 Schadensersatz zugesprochen, weil die mazedonischen Behörden bei seiner Auslieferung an US-Behörden dessen Grundrechte verletzt haben.

Der andere Herr an der Seite Zierckes ist Innenminister Hans-Peter Friedrich. Sein Ministerium sorgte dafür, daß die Tageszeitung junge Welt in diesen Jahren regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten auftauchte. Als »bedeutendes Medium im linksextremistischen Bereich«. Weil sie »traditionskommunistisch« sei und die »Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft propagiere«. Die Toten der NSU-Nazis betrachtete man damals hingegen als »Dönermordopfer« der ausländischen Mafia. Wie dereinst der hessische Ministerpräsident versprechen heute beide Herren sowas ähnliches wie eine brutalstmögliche Aufklärung. Was schon bei Roland Koch nur hieß, daß exakt das zugegeben wird, was absolut nicht mehr geleugnet werden kann. Fragt noch irgend jemand, in wessen Interesse BKA und Verfassungsschutz wirken?

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