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Aus: Ausgabe vom 20.12.2011, Seite 15 / Betrieb & Gewerkschaft

Arbeitsrecht: Arbeitszeiten werden wieder länger

Im Rahmen einer Kooperation mit der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb, die sich an Betriebsräte und Gewerkschafter richtet, berichten wir an dieser Stelle über aktuelle Beiträge und Diskussionen zu Entwicklungen im Arbeitsrecht.

In Sachen Arbeitszeiten war die Krise nur ein kurzes Intermezzo. Wie Steffen Lehndorff vom Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Uni Duisburg-Essen in einem Kommentar für die Dezemberausgabe der Fachzeitschrift Arbeitsrecht im Betrieb darstellt, ist eine Rückkehr zur Tendenz verlängerter Arbeitszeiten zu beobachten. Die heftigen Auseinandersetzungen seit Mitte der 1990er hatten demnach bis zum Vorabend der Krise im Jahr 2008 dazu geführt, daß die gewöhnlichen Arbeitszeiten der Vollbeschäftigten wieder auf dem Niveau vom Ende der 1980er angelangt waren. Diese Verlängerung sei mit Arbeitsverdichtung und dem Abbau von Stammbeschäftigung verbunden gewesen, erinnert Lehndorff.

Dann kam der Absturz im Sommer 2008. In den folgenden Monaten ging die Arbeitszeit der Vollbeschäftigten um durchschnittlich 1,5 Wochenstunden zurück – in der Metallindustrie gar um mehr als drei Stunden. Kurzarbeit und die Belastung von Arbeitszeitkonten hätten maßgeblich zur Verhinderung von Massenentlassungen beigetragen, so Lehndorff, was der Wissenschaftler als weitere Bestätigung der positiven Beschäftigungseffekte kürzerer Arbeitszeiten interpretiert. Doch seit Sommer 2009 hat sich der Trend wieder radikal umgekehrt: Bereits 2010 überschritt die durchschnittliche Wochenarbeitszeit der Vollbeschäftigten wieder die 40,5-Stunden-Marke. In der Metallbranche ist es gerade mal eine Stunde weniger.

Angesichts der Krisenerfahrungen werde die Arbeitszeitflexibilität auch von vielen Betriebsräten als eine Art »Sicherheitsreserve« verstanden – eine Einstellung, die Lehndorff kritisiert, denn: »So verständlich das ist – aus der Krise lernen sollte auch einschließen, aus den Erfahrungen zu lernen, die vor der Krise gesammelt wurden. Die gegenwärtige Rückkehr zu Arbeitszeitverlängerungen beeinträchtigt die Beschäftigungswirksamkeit der jetzigen, ohnehin sehr schwachen und prekären wirtschaftlichen Erholung.« In der Krise hat die Flexibilisierung der Arbeitszeiten also geholfen, Entlassungen zu vermeiden. Allerdings hat sie zuvor verhindert, daß ein Teil der Jobs überhaupt erst geschaffen wurden – und tut dies nun erneut.

(jW)

Arbeitsrecht im Betrieb – Zeitschrift für Betriebsratsmitglieder. Erscheinungsweise: monatlich. Bezug und Probeabo: www.aib-web.de

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