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Aus: Ausgabe vom 05.11.2008, Seite 3 / Schwerpunkt

Erklärung: »Wir stimmen nicht mit ab«

Karin Binder, Sevim Dagdelen, Diether Dehm, Wolfang Gehrcke, Heike Hänsel, Nele Hirsch, Inge Höger, Ulla Jelpke, Dorothee Menzner, Norman Paech und Eva Bulling-Schröter von der Linksfraktion gaben am Dienstag eine schriftliche Erklärung im Bundestages ab:

Wir haben uns an der Abstimmung über den Antrag »Den Kampf gegen Antisemitismus verstärken, jüdisches Leben in Deutschland weiter fördern« nicht beteiligt, obwohl er ein richtiges und notwendiges Anliegen formuliert. Die Linke und wir persönlich haben uns stets in Wort und Tat gegen Antisemitismus, gleichgültig in welcher Spielart er vorgetragen wird, entschieden engagiert. Jedoch ist der Antrag ein überaus schlechter Kompromiß, der diesem wichtigen Anliegen bei weitem nicht gerecht wird, und die Umstände seines Zustandekommens sind skandalös.
Wir stellen mit Bedauern fest, daß die Unionsfraktion versucht, das Gedenken an die Reichspogromnacht und an die faschistischen Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung Europas für eigene parteitaktische Zwecke zu instrumentalisieren. Das degradiert diesen Antrag zur Wahlkampfveranstaltung. Der Antrag versucht, diejenigen als antisemitisch und antiamerikanisch zu diskreditieren, die Kritik an der Kriegspolitik von NATO, USA und Israel äußern. Unter dem Deckmantel der Antisemitismusbekämpfung will er damit wesentliche außen- und innenpolitische Ziele der Bundesregierung legitimieren. Die deklaratorische Feststellung, die Solidarität mit Israel entspreche der deutschen Staatsräson, soll nicht nur das Existenzrecht Israels bestätigen, sondern sie dient vielmehr dazu, jegliche Kritik an der israelischen Politik für illegitim zu erklären. Der Antrag suggeriert: Wer für sich das Recht in Anspruch nimmt, den »Krieg gegen Terror« abzulehnen oder die israelische Politik gegenüber der palästinensischen Bevölkerung zu kritisieren, stelle sich außerhalb der demokratischen Gemeinschaft. Diese undemokratische, anmaßende Tendenz macht den Antrag für uns untragbar. Darüber hinaus drückt der Antrag zu viel Selbstzufriedenheit mit den tatsächlichen Zuständen des Antisemitismus in Deutschland aus und bleibt uns zu unkonkret, wenn es um die praktischen Schritte geht, die zur Bekämpfung von Antisemitismus gegangen werden müssen.

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