Leserbrief zum Artikel Immobilienwirtschaft: Bereit zum Beutezug
vom 21.04.2021:
Entscheidende Frage
Die Immobilienwirtschaft ist also »bereit zum Beutezug« – war anderes zu erwarten? Der Widerstand gegen die Mietkonzerne, der Einsatz für das Menschenrecht auf bezahlbares Wohnen bleibt selbstverständlich eine Notwendigkeit. Zugleich ist es Zeit, zu lernen und sich zu fragen, was all die langwierigen, zeit- und kraftraubenden Initiativen und Aktionen selbst unter einer »rot-rot-grünen« Regierung unterm Strich real erkämpft haben. Der »Mietendeckel« könnte nicht besser verdeutlichen, wie mit den demokratischen Mitteln allein nichts zu erreichen ist, wenn Interessen von Kapital und Konzernen berührt werden. Auch wenn die Regierung noch so farbenprächtig ist, ändert es daran nichts. Kurz gefeierte Siege kassiert Kapital im Namen des Kapitalrechts und seiner Rechtsorgane. Nicht einmal vor skandalösen Rückzahlungen kann Volkes Wille Schutz bieten. Nun sollen wieder Tausende Unterschriften alles abwenden und vielleicht doch irgendwann die Einsicht beim Kapital wecken, ein Menschenrecht zu gewähren? Oder soll die entscheidende Lehre sein, ja nie wieder gegen juristische Vorbehalte etwas zu erstreiten? Soll man nun lachen oder weinen? Wissen Millionen im Lande nicht, wo sie leben, in welcher Gesellschaft und was Freiheit, Demokratie und Recht unter diesen Umständen tatsächlich bedeuten? Mit Feder und Unterschriften Volkes Stimme dokumentieren ist wichtig und richtig, um es denen zu zeigen, die an fremdem Eigentum profitieren. Aber neben Unterschriften muss denen mehr gezeigt werden, denen muss Klassenkampf in Erinnerung gebracht werden. Alles andere bleibt nicht mehr als ein Sturm im Wasserglas, ein Aufstand der Zwerge. Die Reaktionen sind eindeutig, die Ängste und Bestrafungen fast nach mittelalterlicher Manier. Der Senat bietet ein paar Trostpflaster. Das einzig Gute: Vielleicht begreifen einige mehr, dass selbst »Rot-Rot-Grün« Nullkommanix an den Machtverhältnissen und unsozialer Politik ändert. Die Eigentumsfrage ist und bleibt die entscheidende Frage.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 22.04.2021.