Gegründet 1947 Sa. / So., 20. / 21. April 2024, Nr. 93
Die junge Welt wird von 2767 GenossInnen herausgegeben

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Gründung der SED: Die Sammlungspartei vom 17.04.2021:

Hochaktuelles Ziel

Aus Dokumenten zur sowjetischen Deutschland-Politik aus den Jahren 1945 bis 1947 gehe hervor, dass die UdSSR ein im bürgerlich-parlamentarischen Sinne »demokratisches«, neutrales und entmilitarisiertes Deutschland anstrebte, heißt es in diesem Artikel. Es ist erstaunlich, dass die sowjetische Außenpolitik 1989 nicht in der Lage war, an dem richtigen Ziel der Jahre 1945 bis 1947 neu anzusetzen und es mit Macht und Erfolg in den Verhandlungen durchzusetzen – vor allem aufgrund der wohlverstandenen eigenen Interessen bei Fortbestehen der eigenen russischen Nation. Noch viel erstaunlicher ist, wie sehr deutsche Kommunisten West und Ost unterschätzt haben, dass das sozialistische Deutschland im Osten mit dem Bestehen der Sowjetunion verknüpft war, mit ihr stand und fiel. Der Sozialismus war nur unter dieser Machtbedingung erfolgreich möglich für diesen begrenzten Raum. Das deutsche Volk hatte sich eben nicht aus eigener Kraft von der faschistischen Diktatur befreit und einen neuen Weg in seiner Ganzheit gefunden. Dem Deutschland von 2021 dürfte eine sozialistische Zielsetzung für die eigene Nation noch viel fremder sein als in den Jahren 1945 bis 1947, und das gilt auch für die Arbeiterklasse des Landes. Die Besatzung durch den »Westen« endet bis heute nicht, vor allen Dingen auch nicht die Besatzung der Hirne und Herzen, die sich mit neuen Medien und Geschichtsbildbearbeitung allererster Güte gigantisch verstärkt hat und zudem auf nicht unbeträchtlichem Wohlstand in breiteren Schichten des Volkes ruht. Um so notwendiger wäre es, darüber tiefer nachzudenken, ob das Ziel der Jahre 1945 bis 1947 nicht strategisch hochaktuell ist, ob es nicht unter den heutigen gegeben Bedingungen der Welt (USA, Russland, China) das eigentliche strategische Ziel für eine ganze Etappe sein könnte, die alten Besatzer beruhigt, soweit sie im Westen England und Frankreich heißen, und im und auch für den Osten neue Möglichkeiten eröffnet. Diese neuen Möglichkeiten wären auch so zu vermitteln, dass bei der Arbeiterklasse und in verarmten Schichten nicht dauernd der Eindruck entsteht, von dem wenigen, was man sich mühevoll erarbeitet hat, jetzt für andere Länder und die Lösung der Klima- und anderer Weltkrisen sehr viel opfern zu müssen, und schon gar nicht für neue, große Kriege. Der Sozialismus ist im Deutschland von 2021 nicht die Vorbedingung, alle uns und die Welt bedrängenden Probleme zu lösen, gleichwohl sind die genannten Zielsetzungen mit heutigem Stand revolutionär. Sollte aber Deutschland sich unwiderruflich an die drohende Barbarei gegen China und Russland ketten, wird es Möglichkeiten wie nach 1945 für dieses und auch andere europäische Länder nicht mehr geben.
Bernd Jacoby, Wiesbaden
Veröffentlicht in der jungen Welt am 20.04.2021.
Weitere Leserbriefe zu diesem Artikel:
  • Feindliche Übernahme

    Die Westzonen konnten, durch den Marshallplan finanziert, der dort den Kommunismus verhindern sollte (Churchill), sehr schnell eine leistungsfähige Wirtschaft und einen großen Wohlstand herstellen. In...
    Gottfried Gründel