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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Inlandsgeheimdienst: »Die Behörde hat einfach stumpf weitergemacht« vom 10.04.2021:

Arbeit am Mann

Die Bespitzelung/Überwachung von Linken durch den Verfassungsschutz ist so alt wie die Bundesrepublik. Ein Beispiel aus meinen Erfahrungen vor mehr als 50 Jahren war der Anwerbungsversuch eines Spitzels durch Beamte des 14. Kommissariats (Politische Polizei) im Jahr 1968/69, damals in Wuppertal. Interesse bestand an Sitzungsprotokollen der SDAJ (Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend), Nachrichten aus dem Republikanischen Club, Informationen über den Verband der Kriegsdienstverweigerer. Dem als Spitzel Anzuwerbenden wurde die Einstellung von Ermittlungsverfahren in Aussicht gestellt. Die Herren vom 14. K waren über den Austritt ihres vermeintlich zukünftigen Spitzels aus der SDAJ durch das offensichtliche Mitlesen meiner Post gut informiert und meinten auf seinen Einwand: »Soll ich also wieder in die SDAJ zurück?« Dann kam klar und deutlich: »Jawohl, zurück zur großen roten Mutter. Sie müssten dann sehen, dass Sie über die DKP schließlich in die illegale KPD kommen.« Zur finanziellen Seite der Spitzeltätigkeit gab es klare Auskünfte: »Spitzenmänner verdienen bei uns bis zu DM 500. Für Sonderinformationen Sonderhonorar.«
Die Anwerber Hantel (stellvertretender Leiter des 14. K) und Schmidt (Polizeikommissar) hatten Pech. Ihr Kandidat lehnte ab, und die kriminellen Machenschaften des 14.K flogen auf. Das war die konkrete Arbeit des Verfassungsschutzes am Mann vor Ort. PS: Ein Wuppertaler Strafrechtler sah den »Straftatbestand der Nötigung« erfüllt. Die Staatsanwaltschaft fühlte sich für diesen Fall von Spitzelwerbung nicht zuständig und erkannte in diesem »politischen Bereich« nicht das »Aufgabengebiet der Staatsanwaltschaft«.
Jürgen Schuh, Düsseldorf
Veröffentlicht in der jungen Welt am 13.04.2021.