Leserbrief zum Artikel Kirche und Faschismus: Ein Segen für Kriegsverbrecher
vom 09.04.2021:
Schweigen und Widerstand
Gerhard Feldbauer sind bei seiner Darstellung unter »Beten für den Führer« Verwechslungen unterlaufen: Die zitierten Predigten in der Frauenkirche in München und das zitierte Telegramm sind die des Nazifreundes Kardinal Faulhaber und nicht von Galens (des Erzbischofs von Münster). Es sei noch hinzuzufügen, dass Faulhaber nach dem Reichskonkordat Hitler folgendes Telegramm schickte: »Nach Jahren der Unfreiheit unserer Nation und der Missachtung und schmachvollen Verkürzung unserer völkischen Rechte muss unser Volk jene Freiheit und jenen Ehrenplatz in der Völkerfamilie wieder erhalten, die ihm aufgrund seiner zahlenmäßigen Größe und seiner kulturellen Veranlagung und Leistung gebühren.« Und nach dem verfehlten Elser-Attentat ließ er im Dom ein »Te Deum« anstimmen. Die Figur von Galens ist dagegen viel komplexer als dargestellt: Dadurch dass von Galen der erste Bischof war, der unter dem NS-Regime in sein Amt kam, wurde ihm oftmals eine besondere Nähe zu den Nationalsozialisten zugesprochen, was so nicht stimmt. Um Galens Verhalten genauer beurteilen zu können, ist die Stellung des gesamten Episkopats zu betrachten: Nach dem »Friedensangebot« Hitlers an die Kirchen in seiner Regierungserklärung in der Krolloper März 33 veröffentlichten die deutschen Bischöfe einen Hirtenbrief, aus dem hervorgeht, dass die Kirche das Regime vollständig anerkennt. Sie war demnach zur Mitarbeit an dem von den Nationalsozialisten gewünschten Staat bereit. Die zweifelsohne nationale Haltung der deutschen Bischöfe und somit Gemeinsamkeit mit der Regierung wird an dieser Stelle deutlich sichtbar. Galen hatte ein ambivalentes, starken Veränderungen unterworfenes Verhältnis zu den Nazimachthabern: Schweigen (Judenverfolgung, Krieg) und Widerstand (»lebensunwertes Leben«). Extensive Interpreten des Begriffs Widerstand rechnen ihn zu den Widerstandskämpfern. Ich empfehle die ausgewogene Analyse von Joachim Kuropka (Hrsg.): Streitfall Galen. Studien und Dokumente. Aschendorff, Münster 2007.