Im Trüben fischen
Worauf stützen sich eigentlich die Veranlasser und Befürworter europäischer sowie US-amerikanischer Sanktionen gegen die Volksrepublik China in Sachen »Uiguren«? Es handelt sich vornehmlich um Berichte des Sozialwissenschaftlers Adrian Zenz, der seinerzeit eine Doktorarbeit zur Lage der Tibeter in China verfasste. Gegenüber dem Wall Street Journal sagte er vor zwei Jahren, dass sein christlicher Glaube der Hauptgrund dafür sei, dass er sich für religiöse Minderheiten in China interessiere und sich für diese einsetze. Seine Arbeit zu Xinjiang sei zu einer Mission geworden, gibt Zenz zu, Gott habe ihn dazu geführt. Zenz lebt heute in den USA und arbeitet als China-Experte für die »Victims of Communism Memorial Foundation« (alle diese Aussagen habe ich der NZZ auf der T-online-Seite vom 26. März 2021 entnommen …). Zu dieser bemerkenswerten Einrichtung lesen wir bei Wikipedia: »Die Victims of Communism Memorial Foundation (VOC) ist eine antikommunistische Organisation mit Sitz in den Vereinigten Staaten, die 1993 durch ein Gesetz des US-Kongresses autorisiert wurde, ›US-Amerikaner über die Ideologie und die Geschichte des Kommunismus zu unterrichten‹. Kritiker sehen die Organisation als bedenklich an, da ihre Führungsriege lange Zeit Nazikollaborateure und Rechtsextremisten wie Jaroslaw Stezko beinhaltete und Historiker ihre Forschung generell als unwissenschaftlich oder verfälscht bewerten.« Wie die NZZ weiter berichtet, publiziert Zenz regelmäßig zu Xinjiang, etwa zu den Maßnahmen Chinas, das uigurische Bevölkerungswachstum zu bremsen, oder über Zwangsarbeit in der Baumwollindustrie. Vor amerikanischen und kanadischen Parlamentsausschüssen hat er zu chinesischen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang ausgesagt. Auf diese zutiefst seriöse Quelle namens Zenz berufen sich also die Vertreter der westlichen Wertegemeinschaft, wenn es darum geht, China-Bashing zu betreiben! Es widert einen an, zumal ein Blick in das Buch des Bremer Wirtschaftswissenschaftlers Wolfram Elsner, »Das chinesische Jahrhundert«, hier das Kapitel über die uigurische Frage, alle eines deutlich Besseren belehren würde. Aber wer von diesen Politstrategen und dieser Mainstreamjournaille will das schon?
Hans-Joachim Müller, Bad Zwischenahn
Veröffentlicht in der jungen Welt am 30.03.2021.