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Leserbrief zum Artikel Konfrontationskurs: NATO umkreist Serbien vom 27.03.2021:

Weitere Provokation

Die Jahre sind vorbei, als der heutige serbische Präsident Aleksandar Vucic wie im Jahr 2014, damals noch als frisch gekürter Ministerpräsident, mit allen Staatsehren von Angela Merkel empfangen wurde und mit Ehrfurcht den roten Teppich betrat, in der Hoffnung, dass er die Wende im seit den 90er Jahren schwierigen Verhältnis zwischen EU und Serbien einläuten kann. Sein tolerantes Vorgehen, seine Kompromissbereitschaft hinsichtlich einer Lösung der Kosovo-Frage, sein Bemühen, die durch die EU gestellten Hürden für den EU-Beitritt zu überwinden, stießen in Brüssel allerdings auf taube Ohren. Die Enttäuschung brachte nicht nur die permanente EU-Toleranz gegenüber jenen Kräften auf dem Balkan, die wie vor allem die gesetzlosen Terrorpolitiker im Kosovo Serbien mit allen Mitteln schaden wollen, sondern auch ihre Förderung durch internationale Organisationen. Vucic musste schließlich erkennen, dass er nur als Mittel zum Zweck, nämlich der Anerkennung des sogenannten Staates Kosovo auf dem okkupierten Gebiet Serbiens, betrachtet wurde. Das brachte eine Wende in den »netten« Gesprächen mit der EU. Die Enttäuschung über die EU gipfelte in der Coronakrise. Vucic kam zu der Erkenntnis: »Die sogenannte EU-Solidarität ist nur ein leeres Wort auf dem Papier.« Hilfe kam wie immer seit der Zerstörung des Landes durch den NATO-Krieg 1999 aus Russland und China. Diese Länder hat Vucic wiederholt zu ewigen Freunden Serbiens erklärt. (…) Inzwischen haben sich die Verhältnisse noch weiter zugespitzt. Seit zwei Monaten laufen in Serbien Untersuchungen über Aktivitäten von Mafiagruppen, die das Ziel haben, Vucic zu beseitigen. Vucic und seine Familie sollen seit einem Jahr abgehört worden sein, sogar unter Mitwirkung eines Teils des Staatsapparats. Aus dem EU-Ausland stammende Waffen zu seiner Ermordung sollen in Montenegro entdeckt worden sein. Einige enge Vertraute stehen sogar unter Verdacht. Und hinter aller diesen Aktivitäten sollen Drahtzieher aus dem westlichen Ausland stehen. Als noch in den letzten Tagen ein EU-Bericht über Serbien herauskam, in dem sogar die Erfolge Serbiens bei der Bekämpfung von »Corona« kritisiert wurden, platzte dem Präsidenten offensichtlich der Kragen, und er sagte zu den EU-Vorwürfen unter anderem: »Ich bin stolz darauf, dass ich die Staatlichkeit von Kosovo delegitimiere.« Er trat außerdem vor die serbische Öffentlichkeit und und nahm Punkt für Punkt zu den EU-Vorwürfen Stellung. Vucic ist endlich im Einklang mit der Mehrheit der Bevölkerung in Serbien: Circa 60 Prozent sind gegen einen Beitritt zur EU und circa 80 Prozent gegen einen Beitritt zur NATO. Vucics Wählerpotential liegt zur Zeit bei über 60 Prozent. Das NATO-Manöver an den Grenzen Serbiens ist deswegen nicht nur eine weitere Drohgebärde, sondern auch eine weitere Provokation des Landes mit militärischen Mitteln.
O. Götz
Veröffentlicht in der jungen Welt am 30.03.2021.