Gegründet 1947 Donnerstag, 25. April 2024, Nr. 97
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Linke-Programmdebatte: Konsequent für den Frieden vom 15.02.2021:

Damit es nicht soweit kommt ...

Da fühlt sich Bernd Riexinger bemüßigt, Sevim Dagdelen und Ulla Jelpke haltlose Unterstellungen vorzuwerfen. Da bin ich nun aber verwundert!
Der in engem zeitlichen Zusammenhang zur Vorstellung des Programmentwurfs erfolgte Vorstoß Matthias Höhns »für ein Umdenken in der Sicherheitspolitik« (Zitat Riexinger) ist für mich kein Zufall – ich unterstelle hier Absicht – und muss im Kontext mit den Wortmeldungen von Sevim Dagdelen und Ulla Jelpke sowie der Kommunistischen Plattform (KPF) gesehen werden. Höhn ist in der Partei die Linke nicht irgendwer oder kommt nicht aus dem Nichts. Seine »Wortmeldung« ist ein weiterer und gezielter Vorstoß der »Reformer«, um für »Rot-Rot-Grün« Bereitschaft zu signalisieren. Somit ist die klare Positionierung von Dagdelen und Jelpke mehr als verständlich. Papier ist geduldig, und so manches Wahlprogramm ist in einer bürgerlichen Demokratie nach der Wahl die Tinte nicht wert, mit der es geschrieben wurde.
Schön wäre es, wenn Bernd Riexinger sich ebenso klar ablehnend zum Kuba-Beschluss des Parteivorstands vom 23. Januar geäußert hätte. Statt dessen muss ich heute lesen, dass der gleiche Parteivorstand feststellt, dass auch hier natürlich alles nicht so ist wie geschrieben. Den Satz: »Für Die Linke gilt, Menschenrechte sind universell, sie gelten für jede und jeden – überall! Wir treten ein für eine Fortsetzung des Dialogs in Kuba mit kritischen Künstlerinnen und Künstlern sowie Aktivistinnen und Aktivisten zur Demokratisierung der kubanischen Gesellschaft«, habe ich dann wohl woanders gelesen?
Bernd Riexinger verhält sich ja auch mucksmäuschenstill, wenn seine Berliner Parteikollegen als Koalitionspartner von SPD und Grünen die Privatisierung der S-Bahn vorantreiben. Für einen Parteivorsitzenden mit Gewerkschaftshintergrund schon eigenartig. Er und seine Berliner Parteifreunde bleiben auch ruhig und besonnen, wenn ein Innensenator Andreas Geisel ganz im Stil eines Noske ein linksalternatives Wohnprojekt für einen Immobilienspekulanten räumen oder gegen jedes Recht und Gesetz die Luxemburg-Liebknecht-Demo von seiner rechtslastigen Polizei angreifen lässt. Und natürlich bleibt man auch ganz still und gelassen, wenn während der Coronapandemie und bei zweistelligen Minusgraden Obdachlosenunterkünfte ersatzlos geräumt und abgerissen werden. Hier wäre mal deutliche Wortmeldung angebracht gewesen.
Die Sozialdemokratisierung der Linkspartei ist in vollem Gang. Dass sich Die Linke damit überflüssig macht, scheint manchem egal zu sein. Über kurz oder lang könnten wir, wenn es so weitergeht, wohl feststellen: Seit heute ist die Linkspartei nichts weiter als ein stinkender Leichnam. Damit es vielleicht doch nicht soweit kommt, verteidige ich Linke wie Ulla Jelpke und Sevim Dagdelen.
Roland Tröger. Kremmen
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.02.2021.