Regierung in Erklärungsnot
Die Weigerung der BRD-Regierung, dem UN-Vertrag für ein Atomwaffenverbot (AVV) beizutreten, empört mich. Als Kind habe ich die Grauen des Zweiten Weltkrieges erlebt und bin dem Bombenterror nur knapp entronnen. Jetzt muss ich feststellen, dass die eigentlich auf Gefahrenabwehr verpflichtete Regierung an der nuklearen Teilhabe und dem möglichen Ersteinsatz von Atombomben festhält. Die Chance, uns von der Geißel einer immer wahrscheinlicher werdenden atomaren Selbstvernichtung zu befreien, soll nicht genutzt werden. Dabei gehört die BRD zu den 191 Staaten, die den Atomwaffensperrvertrag bzw. den Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) vom 1. Juli 1968 unterschrieben haben. Mit dem Beitritt zum NVV hat sich die BRD u. a. dazu verpflichtet, vollständig nuklear abzurüsten. 122 Staaten haben angesichts der steigenden Gefahr eines neuen Weltkrieges mit der nuklearen Abrüstung ernst gemacht und im Jahr 2017 den Entwurf eines Atomwaffenverbotsantrages (AVV) ausgearbeitet. 86 Staaten haben ihn inzwischen unterschrieben und 51 uneingeschränkt im Parlament ratifiziert. Nun ist der AVV in Kraft getreten. Er stellt nach der Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages vom 19. Januar 2021 mit seinen konkreten Abrüstungsverpflichtungen die rechtliche »Fortschreibung« des NVV dar und delegitimiert die Strategie der nuklearen Abschreckung. Die vom Auswärtigen Amt vertretene Position, dass der NVV das wirksamere Instrument sei, ist nach dieser Expertise nicht mehr haltbar. Die Frage stellt sich, warum die BRD der selbst eingegangenen Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung nicht nachkommen will. Ein evtl. abzuschreckender Gegner ist nicht in Sicht. Es bräuchte nur auf die von Russland wiederholt und zuletzt dem neuen US-Präsidenten Joseph Biden angebotenen Verhandlungen über Abrüstung eingegangen zu werden. Dass von seiten der BRD daran kein Interesse besteht, liegt vielleicht auch daran, dass Deutschland mit einer militärisch gestärkten EU und eigenen Atomwaffen mehr »Verantwortung« in der Welt übernehmen möchte. Dafür spricht die unter www.atomreaktor-wannsee-dichtmachen.de abrufbare Analyse, die ein Bündnis Berliner und Potsdamer Bürger mit der Presseerklärung vom 1. Dezember 2020 unter dem Stichwort: »Atomwaffenforschung in Berlin? Chronik mit Hintergründen« veröffentlicht hat. Fazit der Chronik über das, was keiner geahnt und gewusst haben durfte: »Deutschland strebt seit seiner Gründung die Entwicklung und die Herstellung von Atomwaffen an.« Wie einst wird heute Russland als Feindbild gesellschaftlich aufgebaut und dämonisiert. Höchste Zeit für eine ernst machende Friedensbewegung!
Dietrich Antelmann