Leserbrief zum Artikel Kommentar: Prozess der Verrohung
vom 08.01.2021:
USA ohne Legende
Wer die Nachrichten und Kommentare im TV und Hörfunk verfolgt hat, wird festgestellt haben, dass das Mantra »Herz der Demokratie« bis zum Überdruss bemüht wurde.
Wohlgemerkt einer Demokratie, die unter wechselnder Präsidentschaft seit einem Dreivierteljahrhundert Kriege geführt hat, für diverse Militärputsche verantwortlich zeichnete, (Drohnen-)Morde verübt und den Rassismus im eigenen Land zu neuer »Blüte« gebracht hat. Und die einen noch nie dagewesenen Sanktionsfuror entfacht hat gegen Regierungen, die sich ihr nicht zu Füßen legen. All dies ganz im Geist des US-Außenminister James Byrnes, der schon im April 1945, also noch vor der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland, verkündet hat: »Was wir tun müssen, ist nicht die Welt für die Demokratie, sondern für die Vereinigten Staaten sicher zu machen.«
Das soll keine Rechtfertigung für den unter Anleitung von Trump geübten Sturm auf das Kapitol sein. Aber für uns Linke muss das Ausmaß der Verkommenheit der angeblich stabilsten Demokratie Anlass sein, dieser Legende auf den Leib zu rücken. Derzeit sind es aber nur die politischen Eliten und ihre Sprachrohre, die nach vierjähriger Zurückhaltung in ihrer Wertung das Geschehen mehr oder weniger auf die Person des Präsidenten fokussiert haben. Der Versuch einer echten Analyse blieb bisher aus. Bleiben wir im Bild: Das Herz der US-amerikanischen Demokratie hat einen Infarkt erlitten. Aber so ein Unglück geschieht nicht über Nacht. Der Vorlauf einer solchen Krankheit betrug in der US-Variante etliche Jahrzehnte. In dieser Zeit wurde die Polarisierung der Gesellschaft bewusst vorangetrieben. In »God’s own country« fand eine sich immer mehr beschleunigende Verelendung der Bevölkerung statt. Selbst die vormals gesicherten Mittelschichten mit einigermaßen gesicherten Arbeitsplätzen liefen und laufen Gefahr, sich in die Reihen der »Working poor« einordnen lassen zu müssen. Dieser Sachverhalt hat sich nach und nach im Alltagsbewusstsein niedergeschlagen, und die Tatsache, dass ein Prozent der Wohlhabenden ein Nettovermögen angehäuft hat, das größer ist als das der übrigen 99 Prozent, beinhaltet einen sozialen Sprengstoff, der sich früher oder später entladen wird. Jörg Kronauer hat in seinem Kommentar darauf hingewiesen. Wenn sich dann noch ein Demagoge wie Donald Trump an die Spitze der Unzufriedenen stellt, erhält der Protest schnell irrationale, um nicht zu sagen faschistoide Züge. Die Erinnerungen an das Jahr 1933 werden wach. Sollten die USA einen zweiten Infarkt vermeiden wollen, müssen ihre politischen Akteure begreifen, dass die jetzt thematisierte Spaltung nicht entlang der Parteigrenzen verläuft, sondern entlang der Wohlstandslinien. Ob die transatlantischen Freunde in Europa, die nicht müde werden, die robusteste und älteste Demokratie zu preisen, zum Erkenntnisgewinn beitragen, darf bezweifelt werden. Auch sie müssten sich nämlich die Frage stellen, wie lange ihre Wählerinnen und Wähler es noch widerstandslos hinnehmen, dass »die Reichen immer reicher, die Armen immer zahlreicher werden« (Chr. Butterwegge). Ihr aktuelles Interesse bzw. ihre Sorge dreht sich aber nur um den erweiterten Schutz des Parlamentsgebäudes (Reichstag).
Wohlgemerkt einer Demokratie, die unter wechselnder Präsidentschaft seit einem Dreivierteljahrhundert Kriege geführt hat, für diverse Militärputsche verantwortlich zeichnete, (Drohnen-)Morde verübt und den Rassismus im eigenen Land zu neuer »Blüte« gebracht hat. Und die einen noch nie dagewesenen Sanktionsfuror entfacht hat gegen Regierungen, die sich ihr nicht zu Füßen legen. All dies ganz im Geist des US-Außenminister James Byrnes, der schon im April 1945, also noch vor der bedingungslosen Kapitulation des faschistischen Deutschland, verkündet hat: »Was wir tun müssen, ist nicht die Welt für die Demokratie, sondern für die Vereinigten Staaten sicher zu machen.«
Das soll keine Rechtfertigung für den unter Anleitung von Trump geübten Sturm auf das Kapitol sein. Aber für uns Linke muss das Ausmaß der Verkommenheit der angeblich stabilsten Demokratie Anlass sein, dieser Legende auf den Leib zu rücken. Derzeit sind es aber nur die politischen Eliten und ihre Sprachrohre, die nach vierjähriger Zurückhaltung in ihrer Wertung das Geschehen mehr oder weniger auf die Person des Präsidenten fokussiert haben. Der Versuch einer echten Analyse blieb bisher aus. Bleiben wir im Bild: Das Herz der US-amerikanischen Demokratie hat einen Infarkt erlitten. Aber so ein Unglück geschieht nicht über Nacht. Der Vorlauf einer solchen Krankheit betrug in der US-Variante etliche Jahrzehnte. In dieser Zeit wurde die Polarisierung der Gesellschaft bewusst vorangetrieben. In »God’s own country« fand eine sich immer mehr beschleunigende Verelendung der Bevölkerung statt. Selbst die vormals gesicherten Mittelschichten mit einigermaßen gesicherten Arbeitsplätzen liefen und laufen Gefahr, sich in die Reihen der »Working poor« einordnen lassen zu müssen. Dieser Sachverhalt hat sich nach und nach im Alltagsbewusstsein niedergeschlagen, und die Tatsache, dass ein Prozent der Wohlhabenden ein Nettovermögen angehäuft hat, das größer ist als das der übrigen 99 Prozent, beinhaltet einen sozialen Sprengstoff, der sich früher oder später entladen wird. Jörg Kronauer hat in seinem Kommentar darauf hingewiesen. Wenn sich dann noch ein Demagoge wie Donald Trump an die Spitze der Unzufriedenen stellt, erhält der Protest schnell irrationale, um nicht zu sagen faschistoide Züge. Die Erinnerungen an das Jahr 1933 werden wach. Sollten die USA einen zweiten Infarkt vermeiden wollen, müssen ihre politischen Akteure begreifen, dass die jetzt thematisierte Spaltung nicht entlang der Parteigrenzen verläuft, sondern entlang der Wohlstandslinien. Ob die transatlantischen Freunde in Europa, die nicht müde werden, die robusteste und älteste Demokratie zu preisen, zum Erkenntnisgewinn beitragen, darf bezweifelt werden. Auch sie müssten sich nämlich die Frage stellen, wie lange ihre Wählerinnen und Wähler es noch widerstandslos hinnehmen, dass »die Reichen immer reicher, die Armen immer zahlreicher werden« (Chr. Butterwegge). Ihr aktuelles Interesse bzw. ihre Sorge dreht sich aber nur um den erweiterten Schutz des Parlamentsgebäudes (Reichstag).
Veröffentlicht in der jungen Welt am 09.01.2021.