Leserbrief zum Artikel Fall Nawalny: »Auffällig dubios«
vom 24.12.2020:
Unterstes Niveau
Welch unteres Niveau müssen Medien fahren, eine solche Räuberpistole loszulassen? (Überall am 22.12.2020) Da ruft der »wichtigste Kremlkritiker« Nawalny den abgefeimten Schurken vom FSB incognito an, und dieser berichtet, dass er Nawalny das Nowitschokgift in die Unterhose geschmiert habe. Das ist nicht mal mehr zum Lachen, das ist einfach nur dümmlich. Und hinter dieser Figur, die wie ein Quartettspieler auf Spielkarten die Fotos seiner »vergrimmten« FSB-Verfolger in die Kamera hielt, stehen eine Bundeskanzlerin, ein deutscher Bundesaußenminister und andere Spitzenpolitiker, die sich dafür nicht zu schade sind. Zu schade dafür sind sich auch die Medien nicht, von den öffentlich-rechtlichen bis zur Skandalpresse. Aber die müssen damit wenigstens Geld verdienen und ihre Konsumenten verklapsen. Erbärmlich! Wir fordern Augenmaß statt Brunnenvergiftung! Aber die Politik gegenüber Russland beherrscht ein neues Phänomen: die Beschuldigung als »highly likely« (hochwahrscheinlich). Welcher Fall in der Vergangenheit auch hochgespielt wurde, Russen annektieren Donezk und die Krim, Cyberangriffe auf die Regierung, Vergiftung Skripal und Nawalny, nie wurden Beweise geliefert, alles war »highly likely«, und unsere Politiker stimmen in diesen Chor kräftig ein. Wir finden die derzeitige Hysterie in der Politik der Bundesrepublik gegenüber der Russischen Föderation unerträglich. Verdächtigungen statt Tatsachen, Schuldzuweisung statt Beweisführung, Schädigung unserer eigenen Interessen, Argumentation im Stil der Bild, Verordnung der Position des Westens als allselig machende Wahrheit. Das ist für Spitzenpolitiker unseres Landes schlechthin unwürdig!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 29.12.2020.