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Leserbrief zum Artikel Austritt aus EU: »Brexit«-Handelspakt in weiter Ferne vom 14.12.2020:

Inseldenken

Neben der Coronakrise ist in den Medien berechtigterweise der drohende Brexit ein beherrschendes Thema. Wie es mit allen Wahlversprechen etc. dazu kommen konnte, ist bekannt: Die Bürgerinnen und Bürger des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland (Bezeichnung wird seit 1927 verwendet) haben sich mehrheitlich für einen Austritt ihres Landes aus der Europäischen Union ausgesprochen, der dann zum 1. Februar 2020 vollzogen worden ist. Dabei wurde im Austrittsabkommen eine Übergangsphase vereinbart, die zum 31. Dezember 2020 endet, und in dieser sollte vor allem Politik und Wirtschaft Zeit gegeben werden, durch eine Vereinbarung die zukünftigen Beziehungen zu regeln. Eine Verlängerung dieser Frist ist nicht möglich, da Großbritannien den hierfür festgelegte Termin des 1. Juli 2020 verstreichen ließ. Nun scheint eine derartige Vereinbarung nicht mehr zustande zu kommen, die Gespräche zwischen EU und UK drohen zu scheitern und auf den »No Deal« zuzulaufen. Dies hätte gravierende Folgen für beide Seiten, ganz besonders aber für die Wirtschaft des Inselreiches, wenn die Handelsbilanzen verglichen werden. Wie soeben ein Sprecher des britischen Verteidigungsministeriums erklärte, ist die Regierung seines Landes zum Schutze ihrer Gewässer vor EU-Fischflotten auch bereit, militärische Patrouillenboote einzusetzen, und zwar »rund um die Uhr«. Die oftmals angesprochene Absonderung Großbritanniens (Union von vier Landesteilen mit England, Wales, Schottland, Nordirland mit insgesamt 66 Millionen Einwohnern) vom europäischen Festland war nicht immer gegeben. Geschichtskundige wissen, dass englische Könige die Hälfte des französischen Territoriums beherrschten – zwar als lehenspflichtige Vasallen der französischen Könige – und erst nach dem sogenannten Hundertjährigen Krieg Festland-Europa verlassen mussten, sich dann aber weiter als Könige von Frankreich bezeichneten – bis zum Jahr 1816. Dies alles zusammengenommen – neben dem Verlust des Empire – erklärt das tief verwurzelte Inseldenken und die oft spürbare Abneigung gegen das Festland?
Josef F. Draxinger, Bad Birnbach
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.12.2020.