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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Ostpolitik: Mehr als ein Kniefall vom 05.12.2020:

Zwiespältig

Ach ja, der Kniefall. Wohl kaum eine Zeitung versäumte es, das Bild des herabgelassenen Kanzlers abzudrucken. Reinhard Lauterbach kommentiert gründlich im Sinne des objektiven Verlaufs der Geschichte in jenen Jahren. Und trotzdem …

Am 6. Juli 1950, also 20 Jahre vor dem Kniefall, unterzeichneten die Ministerpräsidenten Volkspolens und der DDR das Abkommen über die Oder-Neiße-Friedensgrenze. Das fand auch in Teilen der DDR-Bevölkerung nicht nur Beifall und löste in Kreisen der Übersiedler heftige Diskussionen aus. Diesen musste die DDR-Regierung intensiv begegnen, und schließlich war es im »Kniefalljahr« soweit, dass an Oder und Neiße ein pass- und visafreier Reiseverkehr möglich wurde, weil sich das Verhältnis zwischen den Nachbarn gründlich gewandelt hatte. Ich wohne seit sieben Jahrzehnten 20 Kilometer von der Grenze entfernt und kenne deshalb dessen Höhen und Tiefen.

Ebenfalls zwischen 1950 und 1970 hatte die DDR die durch die Siegermächte des Zweiten Weltkrieges auferlegten Reparationen auch an Polen bezahlt, bei denen sich die Bundesrepublik qua Parlamentsbeschluss unvornehm zurückgehalten hatte (weil Polen als »kommunistisch« galt). Was wusste man denn zwischen Rhein und Elbe über das Verhältnis der Menschen rechts und links der Oder, dass jetzt so getan wird, als habe sich der Westen in seiner unerforschlichen Güte Polen zugewandt? Deshalb betrachte ich das erwähnte Bild bei allem Respekt vor der antifaschistischen Vergangenheit Willy Brandts mit zwiespältigen Gefühlen. Auch in dem Zusammenhang, dass es üblich geworden ist, die Geschichte nur durch das Monokel der Deutungshoheit westlicher Erklärer zu betrachten.

Ach ja, der bildhafte Kniefall vor 50 Jahren. Ich habe in meiner Zeitung kein Bild von der Unterzeichnung des genannten Grenzvertrages vor 70 Jahren gefunden. War die Sache so bedeutungslos?
Wolfgang Kroschel

Kommentar jW:

Auf diesen Leserbrief gab es folgende Entgegnung:

Ergänzen möchte ich, dass Willy Brandt, der sich während der Jahre der schwersten Verbrechen des faschistisch-kapitalistischen Deutschen Reiches in Schweden aufhielt, gern geduldet hat, dass Millionen Sowjetsoldaten, darunter eine große Zahl von Kommunisten, ihr Leben dafür gaben, dass er diese Veranstaltung überhaupt machen konnte. Im Jahre 1961, als Bürgermeister Westberlins, erklärte er, die DDR zum Sklavenhalterstaat und uns DDR-Bürger zu Sklaven, nachdem die DDR nach zwölf Jahren an der von der BRD geschaffenen Staatsgrenze normale Verhältnisse entsprechend dem Völkerrecht geschaffen hatte, auch um die in Westberlin hausenden und großzügig geduldeten Banden fernzuhalten.
Später in seiner Zeit als Bundeskanzler, in der er auch in Polen war, führten die Täter, die die Verbrechen in Warschau begangen hatten, die Hunderttausenden Schreibtischmörder, Massenmörder und Mörder, immer noch ein so gut wie unbehelligtes, materiell gesichertes fröhliches Leben. Das war der Sumpf, aus dem heute der Faschismus an allen Ecken und Kanten der Bundesrepublik wieder sichtbar und hörbar herausdringt und sogar Anklang findet, schließlich bleibt Antikommunismus Kernstück der Politik. Der Kanzler ist auch deshalb sehr berühmt, weil er die kriegerischen Aktivitäten der USA von deutschem Boden aus in aller Welt unterstützte – und zwar auch direkt mit vielen Millionen DM –, darunter den verbrecherischen Krieg der USA in Vietnam mit mehreren Millionen Opfern, darunter meist Zivilisten.
Gerhard Ulbrich