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Leserbrief zum Artikel Kritik der politischen Ökonomie: Der Gott aus der Druckmaschine vom 04.12.2020:

Lediglich ein Abbild

Es war wichtig, dass sich Alfred Müller so ausführlich mit aktuellen Fragen der Geldtheorie auseinandersetzt. Im Zusammenhang mit der Coronakrise hat sich im Denken vieler Menschen, auch in der großen Politik, die irrige Denkweise entwickelt, als könne man allein mit Geld alle Probleme dieser Welt lösen. Man müsse es dazu nur fleißig genug aus dem Nichts schöpfen, wozu der Staat ohne weiteres in der Lage wäre. Um dabei entstehende Schulden müsse man sich keine Sorgen machen. Es ist verblüffend, wie wenig Zeit ins Land gegangen ist, nachdem man uns aus vollen Kehlen erklärt hat, der Staat müsse auf Teufel komm raus sparen, sonst drohe der Weltuntergang. Wie ist es denn nun wirklich mit dem Geld? Erscheint es uns wirklich als allmächtiger Gott aus der Druckmaschine? Kann man seine Menge wirklich straflos ins Unendliche ausdehnen? Oder steckt hinter dem Geld noch etwas viel Mächtigeres, über das wir nachdenken sollten, bevor wir uns unnützer Weise von solcher Art Allmachtgedanken einnebeln lassen?
Ein kleines Beispiel: Seit Jahren zieren Schlaglöcher in großer Zahl nicht wenige Straßen unseres Landes. Sogar der Politik war das zuviel, und sie legte in den letzten Jahren immer fleißiger Schlaglochbeseitigungsprogramme auf. Das Geld war da. Die Löcher blieben. Geld allein scheint doch nicht jedes Problem lösen zu können. Denn die Löcher zu stopfen, dazu braucht es Arbeit. Die Vorarbeiten der Verwaltung, die Ausarbeitung von Projekten, die Bereitstellung von Material, die Arbeit von Straßenbaufirmen … Kurzum: Geld kann nicht arbeiten. Arbeiten können nur Menschen. Deren Arbeit ist es, die hinter dem Geld steht. Und sie ist es, die das Geld mächtig macht. Oder wertlos, wenn niemand da ist, der sie ausführt.
Was uns das lehrt? Wer ernsthaft über Geld reden will, muss berücksichtigen, dass Geld lediglich ein Abbild der Menge und der Qualität der von der Gesellschaft geleisteten Arbeit ist. Von einer Arbeit, die in den vielfältigsten Maßen und Formen und von den verschiedensten Menschen erbracht wird. Die heute zum Zwecke des Austausches der entstehenden Produkte und Leistungen vergleichbar gemacht werden muss. Das und nichts anderes soll und kann Geld leisten. Es macht lediglich Arbeit mess- und vergleichbar. Arbeit, die im konkreten historischen Moment sowohl in ihrer Menge, als auch in ihrer Qualität natürlichen Begrenzungen unterliegt. Diese Arbeit ist nicht wie Geldmengen willkürlich ausweitbar, sondern streng limitiert. Ihr Maß wird bestimmt durch die Größe der Gesellschaft und den Entwicklungsstand ihrer Produktivkräfte. Was sich die Gesellschaft leisten kann, wird dadurch begrenzt, was sie zu leisten vermag. Diese Gesetzmäßigkeit ist nicht auflösbar. Auch wenn es manchmal scheint, das Geld habe sich in der aktuellen kapitalistischen Gesellschaft von seiner eigentlichen Substanz und ihren Begrenzungen lösen können. Das Gegenteil ist der Fall: Je weiter sich der Gott aus der Notenpresse von seiner eigentlichen Substanz entfernt, desto schärfer werden die Widersprüche. Und desto größer der Knall, wenn sich wieder einmal das Faktische gegenüber dem Spekulativen durchsetzt. Es wäre nicht die erste Blase, deren Platzen wir im 21. Jahrhundert erleben dürfen. Und bei der, wie immer in der Geschichte, die kleinen Leute die Zeche der Großen bezahlen dürfen.
Joachim Seider
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