Leserbrief zum Artikel Tod einer Legende: Hasta siempre, Diego!
vom 27.11.2020:
Adios, Diego!
Der schwedische Fußballstar Zlatan Ibrahimovic schreibt in seiner Biographie: »Du kannst einen Typen aus dem Ghetto holen, aber nicht das Ghetto aus dem Typen.« Er meint sich selbst und seine Jugend im Malmöer Problemviertel Rosengard. Worüber Soziologen sich in dicken Büchern auslassen, das hat Ibrahimovic damit auf den Punkt gebracht. Auch George Best, einstiger Star von Manchester United und König unter den Dribblern, war in dieser Beziehung wie Ibrahimovic. Best starb am 25. November 2005 mit 59, nicht zuletzt als Folge seines exzessiven Lebenswandels. Am 25. November 2020 verlässt ein weiterer überragender Kicker das irdische Fußballfeld: Diego Armando Maradona. Er war wie Best ein Künstler am Ball, der seinerzeit in Mexiko die englischen Gegenspieler düpierte und sie wie Fahnenstangen stehenließ. Und einer, der sich nicht abfinden konnte mit den Ungerechtigkeiten auf dieser Welt. Er war ein Freund Fidels, der 2016 ebenfalls am 25. November verstarb. Maradona war keiner dieser durchgestylten Jüngelchen, die brav abgedroschene Phrasen ins Mikro brabbeln. Heute hat man oft den Eindruck, Fußball wird mehr und mehr wie am Kickertisch verstanden. Das wollen uns zumindest die Statistik- und Taktikfetischisten glauben machen: Alles ist berechenbar, alles vorhersehbar, Spieler haben ihre taktische Position zu halten und werden von einer Hand (Trainer) exakt geführt. Sie dürfen sich mal etwas nach rechts oder links bewegen, mehr nicht! Maradona, Best, Ibrahimovic – sie sind Beispiele dafür, dass das nicht stimmen muss. Und sie zeigen uns auch, dass das Leben kein Tischfußball ist, es findet ebenfalls auf dem Platz statt. Es ist auch im Leben nicht alles berechenbar und vorhersehbar, mag uns das auch noch so oft erzählt werden. Und so darfst Du ruhig mal zu einem Dribbling ansetzen, auch wenn am Spielfeldrand alles schreit: »Gib den Ball ab!« Adios, Diego!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 28.11.2020.