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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Serie: Um uns selber kümmern vom 10.10.2020:

Damit die Erinnerung nicht verblasst

Nach 30 Jahren gepriesener Einheit verwischt sich einiges, verblasst. Das Jetzt und Heute, Lebensprobleme marktwirtschaftlich- kapitalistischer Art verlangen Kraft, Verhaltensweisen und Standpunkte aus gegenwärtiger Sicht. Erinnerung an Lebensumstände in der DDR, an Mängel wie an viel reales, materielles Empfinden von Sicherheit, Zukunftsgewissheit, Mit- und Füreinander, eines Staates nicht der Kapitalmacht, des Reichtums und des Laissez-faire, gehört das nicht zum Geschichtsbewusstsein? Sich eines Deutschlands auf besserem Wege als das heutige in Erinnerung bringen, nicht vor sich hertragen, vergleichen, analysieren, und das durchaus auch apologetisch, das ist objektive Aufarbeitung, wenn sie nicht in Schönreden verfällt. Über eine bessere, friedlichere, ausbeutungsfreie, menschheitserhaltende Gesellschaft nachzudenken geht nicht ohne Rückblick auf das Vergangene, ohne Urteil über die Gegenwart und ohne daraus die Zukunft zu beschreiben. Wir stehen wieder an einem Anfang damit, haben Erfahrungen, Lehren wie schmerzhafte Wunden davongetragen. Es sind junge Generationen herangewachsen , die sich politisch orientieren, die von dieser Gesellschaft geprägt, beeinflußt, ge- oder verbildet werden, denen die DDR als Hölle, Verbrechen und Unrecht vermittelt wird.
Eine Linkspartei, gern als Nachfolgerin der SED bezeichnet, souffliert bei der Delegitimierung der DDR eifrig mit. Ist es nicht unsere Pflicht, dem Wahrheit entgegenzusetzen?
Dieser Tage erscheinen die Serienfolgen zur DDR in jW. Am Kaffeetisch lesen wir die Folgen und merken, was selbst uns mit 40 Jahren bewusst mitgelebter DDR schon aus der Erinnerung entfallen ist. Wir blicken nicht wehmütig, nostalgisch zurück, aber uns wird dabei bewusst, was ein Leben in sozialer Sicherheit wert ist, was eine sichere Zukunft, keine Sorgen und Ängste um die Existenz oder bei Krankheit, Arbeitslosigkeit, Alter, Armut u. v. m., im Unterschied zu dem, was heute für Millionen Lebensrealität ist. Was der Klassenfeind ist, das haben wir in Theorie gelernt.
Es wird uns eingeredet, den gebe es nicht, er sei nur kommunistische Erfindung, Hass und Hetze. Wir erkennen und spüren ihn heute tagtäglich in seinem vernichtendem Treiben, ganz gleich, wie wir ihn nennen. Feindbilder, Hass, Hetze gegen Menschen, Kriegstreiberei, alles für uns 40 Jahre lang gut unter Verschluss gehalten. Das darf nicht verschwiegen werden, nicht denen überlassen bleiben, die an der Verewigung ihrer paradiesischen Zustände Interesse haben.
An der Frage des »Warum«, wie dumm große Teile der DDR-Bevölkerung gewesen sein müssen, dass sie ihr Land nicht verteidigt haben usw., gibt es kein Vorbeimogeln und Schönreden.
Es ist nicht in einem Satz mit einem Grund erklärbar. Der beste Sozialismus kann nicht wie ein Geschenk verordnet werden. Es braucht die Identifikation der Millionen mit ihm, das Bewusstsein der eignen Leistung. Selbstverständliches ist scheinbar selbstverständlich, und die bunte Warenwelt war unerreichbar, also immer in Blick und Sinn. Arbeitsproduktivität, Leistungsprinzip, Unterschiede, Millionen nicht nur Sicherheit schenken, sie in die Eigentümerrolle bringen, nicht formal, ganz real, fühl- und empfindbar. Schwer, aber nicht unmöglich.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.10.2020.
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