Leserbrief zum Artikel Eine ungarische Musik: Volkslied und Moderne
vom 26.09.2020:
Komponist und Humanist
Die junge Welt ist die einzige Tageszeitung hierzulande, ja das einzige Printmedium überhaupt, das Béla Bartók aus Anlass seines 75. Todestags gewürdigt hat! Vielen Dank für den exzellenten Artikel über den großen Komponisten und Rhapsoden sowie den sympathischen Menschen und Humanisten. Bartók gilt zu recht als Symbolfigur der Moderne und Pionier der Musica nova.
Als an Herders »Stimmen der Völker in Liedern« orientierter Musikethnologe gehört er zu den wenigen Tonschöpfern und Gelehrten (zeitgleich mit Zoltán Kodály und Ralph Vaughan Williams in Europa bzw. mit Mary Lou Williams oder William Grant Still in den USA), die aufrichtiges Interesse zeigten für die heimatlichen Volksweisen. Ja, er erforschte die Folklore der osteuropäischen Landbevölkerung nicht nur, um sie aufzuzeichnen und so der Nachwelt zu erhalten, sondern ließ sich davon inspirieren und sie im eigenen Œuvre fruchtbar werden. Dabei war er sich bewusst, dass seine peniblen Transkriptionen der vielen von ihm rezipierten und phonographisch konservierten Volkslieder an die Grenzen des (damals) in der abendländischen Notation Darstellbaren gingen.
Was den aufgeklärten und weitsichtigen Homo politicus Bartók betrifft, so ließ er sich von dem reaktionären Hórthy-Regime (1920–1945, jW) nicht vereinnahmen und floh schließlich vor dem Faschismus in die vermeintlich freie Welt.
Als Künstler dachte er – ähnlich wie der junge Wilde Beethoven – gar nicht daran, den allgemeinen Publikumsgeschmack und die Erwartungen des Bildungsbürgertums zu bedienen. Nachdem z. B. seine Tanzpantomime »Der wunderbare Mandarin« (Originaltitel: »A csodálatos mandarin«) bei der Kölner Uraufführung am 27. November 1926 einen Theaterskandal auslöste und von der bürgerlichen Presse als angeblich »unmoralisch«, ja »pornographisch« diffamiert worden war (woraufhin Oberbürgermeister Konrad Adenauer weitere Aufführungen verbot), machte er das Beste daraus und arbeitete das Werk zu einer Orchestersuite um, die heute zum Repertoire gehört. Bartók lebte bis zuletzt unbeirrt nach seinen ethischen Prinzipien und politischen Überzeugungen; materieller, irdischer Besitz bedeutete ihm nichts. Nochmals vielen Dank!
Als an Herders »Stimmen der Völker in Liedern« orientierter Musikethnologe gehört er zu den wenigen Tonschöpfern und Gelehrten (zeitgleich mit Zoltán Kodály und Ralph Vaughan Williams in Europa bzw. mit Mary Lou Williams oder William Grant Still in den USA), die aufrichtiges Interesse zeigten für die heimatlichen Volksweisen. Ja, er erforschte die Folklore der osteuropäischen Landbevölkerung nicht nur, um sie aufzuzeichnen und so der Nachwelt zu erhalten, sondern ließ sich davon inspirieren und sie im eigenen Œuvre fruchtbar werden. Dabei war er sich bewusst, dass seine peniblen Transkriptionen der vielen von ihm rezipierten und phonographisch konservierten Volkslieder an die Grenzen des (damals) in der abendländischen Notation Darstellbaren gingen.
Was den aufgeklärten und weitsichtigen Homo politicus Bartók betrifft, so ließ er sich von dem reaktionären Hórthy-Regime (1920–1945, jW) nicht vereinnahmen und floh schließlich vor dem Faschismus in die vermeintlich freie Welt.
Als Künstler dachte er – ähnlich wie der junge Wilde Beethoven – gar nicht daran, den allgemeinen Publikumsgeschmack und die Erwartungen des Bildungsbürgertums zu bedienen. Nachdem z. B. seine Tanzpantomime »Der wunderbare Mandarin« (Originaltitel: »A csodálatos mandarin«) bei der Kölner Uraufführung am 27. November 1926 einen Theaterskandal auslöste und von der bürgerlichen Presse als angeblich »unmoralisch«, ja »pornographisch« diffamiert worden war (woraufhin Oberbürgermeister Konrad Adenauer weitere Aufführungen verbot), machte er das Beste daraus und arbeitete das Werk zu einer Orchestersuite um, die heute zum Repertoire gehört. Bartók lebte bis zuletzt unbeirrt nach seinen ethischen Prinzipien und politischen Überzeugungen; materieller, irdischer Besitz bedeutete ihm nichts. Nochmals vielen Dank!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.10.2020.