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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Coole Wampe: Aprikosencrêpes vom 12.09.2020:

Das Kind hat recht

»Man lügt doch keine Kinder an«, schreibt Maxi Wunder in ihrer Serie »Coole Wampe« am 12./13. September. Warum – so frage ich mich – erzählt sie dann erst mal dem Kind, das kein Wildschwein-Ragout essen will, obwohl gerade Asterix-Woche ist: »Das Schwein ist gar nicht ermordet worden. Es ist ganz friedlich eines natürlichen Todes gestorben im Kreise seiner Lieben.« Und warum lügt sie weiter, als das fünfjährige Kind das nicht abnimmt: »Weißt du, Schweine werden auch mal krank. Das hier hatte Fieber, und dann ist es plötzlich eingeschlafen und nicht mehr aufgewacht«? Warum kommt das »Man lügt doch keine Kinder an« erst dann, als das Kind auch diese dreiste Lüge durchschaut? Weshalb wird bei den Aprikosencrêpes, welche das Kind jetzt vorgesetzt bekommt, erst mal verschwiegen, dass diese Milch und Eier enthalten? Dass die Eier »ohne Kükentöten« sind (das wird dem Kind auf seine Nachfrage gesagt), ist wahrscheinlich auch wieder gelogen. Warum muss man sackzementnochmal ein Kind, das keine toten Tiere und keine Eier »mit Kükentöten« essen will, als „kleinen Tyrann“ bezeichnen? Warum müssen sich wie hier die Eltern dafür entschuldigen? Warum ist es nicht möglich, die natürliche Empfindsamkeit von Kindern gegenüber dem Leiden der Tiere zu achten? Oder sich was abzuschneiden von dieser Haltung?
Ich frage mich auch: Warum werden den Leserinnen und Lesern pflanzliche Alternativen verschwiegen? Milch kann man bekanntlich problemlos durch Pflanzenmilch ersetzen und Eier durch Leinsamenschrot. Beides auch noch viel gesünder als die Tierprodukte. Wenn Euch die Tiere schon wurstegal sind, warum achtet Ihr nicht wenigstens auf die Gesundheit der Kinder? Warum muss es bei jedem Kinderfest rotes Fleisch geben, von dem die WHO festgestellt hat, es sei krebserregend? Und die Klimakatastrophe ist euch auch egal? Oder wisst ihr noch nicht, dass die »Fleischproduktion« mehr zur Erderhitzung beiträgt als der gesamte Güter- und Personenverkehr zu Lande, zu Wasser und in der Luft?
Bis zum letzten Wort (»Udo! Ergänz mal die Speisekarte: Weicheier aus Lutetia!«) macht der Artikel sich lustig über die beharrliche Charakterfestigkeit des Kindes. Ist so was links? Direkt bevor ich diesen Artikel las, hatte ich mir das Beitrittsformular für die LPG junge Welt rausgelegt und wollte es ausfüllen. Da muss ich jetzt nochmal nachdenken. Und Euch bitte ich herzlich, mal über folgenden Satz von Rosa Luxemburg nachzudenken, den sie kurz vor ihrer Ermordung schrieb: »Eine Welt muss umgestürzt werden, aber jede Träne, die geflossen ist, obwohl sie abgewischt werden konnte, ist eine Anklage; und ein zu wichtigem Tun eilender Mensch, der aus roher Unachtsamkeit einen Wurm zertritt, begeht ein Verbrechen.«
Michael Kohler