Leserbrief zum Artikel Kandidatinnen für Linke-Vorsitz: Plurale Partei
vom 11.09.2020:
Hochgradig skeptisch
Die Partei »Die Linke« hat strukturelle Probleme. Ob »Bewegungslinke« oder »Regierungslinke«: Sie ist eine Partei des politischen Systems der BR Deutschland. Die Beobachtung durch nachrichtendienstliche Organe ist ein Indiz dafür, dass diese sehr konservativ sind und auch rechtsreaktionäre Kräfte dort wirken. Die Partei »Die Linke« ist keine Herausforderung für das System und wird es auch nicht werden. Die Bedrohungen für das System in der BR Deutschland werden von anderen, noch nicht sichtbaren, aber sich vielleicht bereits formierenden Kräften ausgehen, die meist als Bewegungen organisiert sind. Diese sind in der Lage, kurzfristig viele Menschen zu mobilisieren, und sie sind auch nicht »kompromittiert« durch Funktionen speziell in der Exekutive. Es gibt in der BR Deutschland keine »rot-grüne« Partei, die radikale soziale mit radikalen Umweltprogrammatiken verbindet und dazu noch auf eine Friedenspolitik festgelegt ist. Im ökonomischen Bereich geht es nicht nur um das Umverteilen. Es geht um eine neue Organisation der Produktion und der Erzeugung der Werte. Diese wird marktwirtschaftlich sein. Aber die Kommandopositionen des auch in Deutschland starken Finanzsektors gehören in gesellschaftliche Hände. Ähnliches trifft auf die Medien und die wirtschaftlichen und sozialen Infrastrukturen zu. Im Rest kann sich privates Kapital breitmachen, was nicht bedeutet, dass die Gesellschaft auf eine Einflussnahme verzichtet. Wichtiger als die reine Eigentumsfrage ist die gesellschaftliche Kontrolle. Eine neue Führung der Linken ist zu begrüßen. Aber ob die Probleme dieser Partei durch neue Leute gelöst werden, werden wir sehen. Ich bin hochgradig skeptisch.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 15.09.2020.