Gegründet 1947 Donnerstag, 25. April 2024, Nr. 97
Die junge Welt wird von 2751 GenossInnen herausgegeben

Leserbriefe

Liebe Leserin, lieber Leser!

Bitte beachten Sie, dass Leserbriefe keine redaktionelle Meinungsäußerung darstellen. Die Redaktion behält sich vor, Leserbriefe zur Veröffentlichung auszuwählen und zu kürzen. Leserbriefe sollten eine Länge von 2000 Zeichen (etwa 390 Wörter) nicht überschreiten. Kürzere Briefe haben größere Chancen, veröffentlicht zu werden. Bitte achten Sie auch darauf, dass sich Leserbriefe mit konkreten Inhalten der Zeitung auseinandersetzen sollten. Ein Hinweis auf den Anlass Ihres Briefes sollte am Anfang vermerkt sein (Schlagzeile und Erscheinungsdatum des betreffenden Artikels bzw. Interviews). Online finden Sie unter jedem Artikel einen Link »Leserbrief schreiben«.

Leserbrief zum Artikel Kontrollfragen: Neubeginn in Trümmern vom 14.05.2020:

Zentrales Denkmal der DDR

Die ansonsten wie immer informative Radiogeschichte von André Scheer diesmal über den Neubeginn des Berliner Rundfunks am 19. Mai 1945 bedarf einer nicht unwichtigen Ergänzung. Es blieb nämlich nicht bei den erwähnten zeitweiligen Blockaden des damals sowjetisch kontrollierten Funkhauses an der Masurenallee durch die Westalliierten. Das waren Peanuts im Vergleich zu einer seinerzeit wirklich aufsehenerregenden Gewaltaktion: Ich meine die Sprengung eines alten hölzernen und eines noch im Bau befindlichen zweiten Sendeturms in Berlin-Tegel, über die das deutsch-russische Programm des ersten deutschen Rundfunksenders nach dem Krieg ausgestrahlt wurde. Die von dem für Tegel zuständigen französischen Garnisonschef General Ganeval befohlene Sprengung der Sendemasten durch Pioniere erschien den Westalliierten als ein drastisches Mittel, um die Russen endgültig aus der Rundfunkhausenklave im britischen Sektor der in Besatzungszonen aufgeteilten ehemaligen Reichshauptstadt zu vertreiben. Objektiv gesehen, war die für einen geheimgehaltenen »Tag X«, dem 16. Dezember 1948, geplante Militäraktion ein hochriskanter Gewaltakt auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges. Angeblich standen die Funkmasten Flugzeugen im Wege. Dass die Sendetürme auf dem in einer Rekordzeit von wenigen Monaten errichteten dritten Berliner Luftbrückenairport in Tegel ernsthaft den Luftverkehr gefährdet hätten, wollten aber schon damals selbst der Sympathie mit den Russen gänzlich unverdächtige Chronisten kaum glauben. Schließlich war das Gelände eines ehemaligen Artillerieschießplatzes derart weitläufig, dass eine zweite Landebahn mit 2.421 Metern Länge und 60 Metern Breite alle damaligen europäischen Rekorde brach. So notierte der aus der US-amerikanischen Emigration als Frontstadtkorrespondent und Mann des Nachrichtendienstes der US-Streitkräfte nach Deutschland zurückgekehrte Journalist Curt Riess in seinem Reportageband »Berlin, Berlin 1945–1953« ziemlich flapsig: »Jetzt war dieser Flugplatz fertig, aber die Sendetürme störten die einfliegenden Flugzeuge. Vielleicht störten sie auch nicht, das war Ansichtssache. General Ganeval war jedenfalls der Ansicht, dass sie störten.« Doch der Berliner Rundfunk war weiter im Äther. Mitarbeitern der östlichen Deutschen Post gelang es binnen Stunden, einen kleineren Sender in Potsdam-Golm auf die genutzte Mittelwellenfrequenz umzustimmen. Mit voller 100-Kilowatt-Leistung und über einen sage und schreibe 240 Meter hohen Funkmast ging der alte Tegeler Sender mit dem ursprünglichen Baujahr 1928 dann im März 1949 am neuen, aber rundfunkgeschichtlich äußerst traditionsreichen Standort Königs Wusterhausen wieder in Betrieb. Der Sender wurde später als technisches Denkmal in die Zentrale Denkmalsliste der DDR aufgenommen.
Thomas Knauf-Lapatzki, Berlin
Veröffentlicht in der jungen Welt am 16.05.2020.