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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Unerbetene Literatur: Verschanzt hinterm »Zeitgeist« vom 15.04.2020:

Schwierige Nachkriegsordnung

Sehr geehrter Herr Donat, zur Klärung der Frage, warum der Roman »Der Überläufer« von Siegfried Lenz 1951/52 nicht erscheinen konnte, gehen Sie der konkreten Frage, ob dessen Aussagen ins politische Konzept der BRD und ihrer »Verbündeten« passten, nur unzureichend nach. Bekanntlich trat der Innenminister zurück, als der Bundeskanzler in Washington der Wiederbewaffnung der BRD zustimmte. Weiter möchte ich Sie an die »Stuttgarter Erklärung« des US-Vize-Außenministers Byrnes von 1946 erinnern, die die Ziele der USA klar ausspricht: die UdSSR aus Europa zu verdrängen und ihre Truppen unbegrenzt lange in Europa stationiert zu halten.
Daraus ergibt sich die Frage, ob diese Desertion eines deutschen Soldaten zu polnischen »Freischärlern« in das westliche Politikkonzept passte. Die entsprechende Untergrundorganisation war vor dem Einmarsch der Deutschen in Polen 1939 von der polnischen Regierung vorbereitet worden. Ihre Legitimität war auf die polnische Exilregierung zurückzuverfolgen, die aber seit der Potsdamer Konferenz nicht mehr existierte. Ganz abgesehen von den beiden polnischen Armeen, die auf dem von der UdSSR annektierten polnischen Territorium entstanden waren, da Polen aus dem von Deutschland besetzten Gebiet dorthin geflohen waren und Stalin nach langem Zögern deren Organisation erlaubte. Der Militärattaché im amerikanischen Sektor Berlins bekam seine Order aus Warschau, war für alle Bewohner der westlichen Besatzungszonen zuständig, die nach Polen reisen wollten, und gehörte zu eben dieser Militärorganisation, die übrigens am 8. Mai 1945 auf der Siegessäule die polnische Fahne hisste.
Die Phantasiegeschichte von Lenz störte massiv die bestehende komplizierte Rechtsordnung, von der sicherlich niemand zulassen wollte, dass sie an diesem Faden aufgedröselt wurde, noch dazu durch einen Deutschen.
Reiner Schulz, Potsdam
Veröffentlicht in der jungen Welt am 24.04.2020.