Leserbrief zum Artikel Globaler Kapitalismus: Reiche Armut
vom 17.03.2020:
Schnell aufgebraucht
Über Evo Morales’ vergeblichen Versuch, die Kontrolle über den Abbau der vermutlich weltweit größten Lithiumvorkommen nicht aus den Händen der demokratisch gewählten Regierung zu geben, berichtete anlässlich des dann folgenden Staatsstreichs Nick Estes, Professor für Amerikastudien an der Universität von New Mexico, in der Wochenzeitschrift Freitag unter anderem wie folgt: »Seit Morales entmachtet ist, schießen die Aktien des Elektrokonzerns Tesla in den Himmel. Bolivien hat Staaten wie den USA eine Lektion erteilt, als es den Weg eines Ressourcennationalismus eingeschlagen hat, um den Gewinn in der Gesellschaft neu zu verteilen – das war Evos Verbrechen.« Die Lithiumvorkommen im südlichen Bolivien befinden sich in der Salar de Uyumi – einer einzigartigen Naturlandschaft mit »einem der spektakulärsten Panoramen der Welt«. Der Autokonzern Tesla fertigt in seiner »Gigafactory« in Nevada die Lithium-Ionen-Akkus für seine Elektroautos mit dem Ziel von mindestens 500.000 Fahrzeugen pro Jahr. Eine ebenso leistungsfähige »Gigafactory« mit Lithium-Ionen-Akku-Fertigung soll nun in Grünheide bei Berlin entstehen. Auch hier lautet das Ziel, mindestens 500.000 Elektroautos im Jahr vom Band rollen zu lassen. Eine weitere »Gigafactory« dieser Größenordnung war gerade in Shanghai eröffnet worden. Das wären dann 15 Prozent der derzeitigen Lithiumförderung nur für einen einzigen Elektroautohersteller. Würden die bekannten Lithiumvorräte allein für Autobatterien verwendet werden, könnten 1,4 Milliarden E-Autos mit Batterien von 40 Kilowattstunden Speicherkapazität produziert werden. Teslas »Modell S« hat eine Speicherkapazität von 100 Kilowattstunden. Würden jährlich so viele E-Autos wie derzeit Autos mit Verbrennungsmotor produziert werden, wären die bekannten Lithiumvorräte in spätestens 16 Jahren aufgebraucht …
Veröffentlicht in der jungen Welt am 25.03.2020.