Leserbrief zum Artikel NATO: Virus bremst Kriegstreiber
vom 20.03.2020:
Höhere Gewalt
Das Coronavirus ist dabei, in allen Staaten der Welt einen bisher nie gekannten staatlichen und zivilgesellschaftlichen Ausnahmezustand zu schaffen. Die Macht der faktisch globalen Pandemie erwies sich als stärker als alle bis ins Detail vorgeplanten millionenschwere Aktionen und Maßnahmen von Militär und Politikern der USA und NATO – sie zwang zum Abbruch des Russland provozierenden Großmanövers »Defender 2020«. Wenn man so will: Höhere Gewalt erzwang in diesem Fall letztlich die Rückbesinnung auf ein gewisses Maß an militärischer Vernunft. In deren Konsequenz vorerst für dieses Jahr das militärische Zündeln unmittelbar an der russischen Westgrenze unterlassen werden soll. Bisher aber leider nicht entsprechende Planungen für die kommenden Jahre, die auf einer grundsätzlichen Fortführung der alten gefahrvollen Konfrontationspolitik des Westens gegenüber Russland fußen. Die Hoffnung auf eine grundlegende Wende zu mehr politischer Vernunft in den internationalen Beziehungen zwischen Ost und West als Konsequenz eines Erkenntnisprozesses in den politischen Eliten der westlichen Welt in Richtung friedlicher Koexistenz muss wohl weiterhin auf Sparflamme flackern. Schade, dass die Friedensbewegten der mehrheitlich das Rüstungsgerassel der Obrigkeit ablehnenden Zivilgesellschaft mit ihren Protesten zur Zeit keinen grundsätzlichen Politikwechsel herbeizuführen in der Lage sind. Aber wer weiß, ob die heute überhaupt noch nicht absehbaren Konsequenzen der über uns gekommenen höheren Pandemiegewalt vielleicht nicht doch Wege zu unerwarteten Umbrüchen in Politik, Staat und Gesellschaft eröffnen. Wenn ja, dann bitte im Sinne einer friedlichen Koexistenz, von mehr Toleranz und mitmenschlicher Solidarität.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 24.03.2020.