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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Washington: Trump präsentiert »Friedensplan« vom 29.01.2020:

Kein Licht am Ende des Tunnels?

Unauflösbar wie der Widerspruch zwischen »jüdischem Volk« und »israelischem Staatsbürger«, der als Einheit von religiösem Staat und Demokratie für alle seine Bürger nicht herzustellen ist, ist Trumps »Angebot« für die Bildung eines einheitlichen palästinensischen Staates neben Israel unter der Bedingung vollständiger Unterwerfung unter »Israels Sicherheit« und seiner Siedler uneinlösbar.
Jeff Halper und andere haben dazu schon Entscheidendes gesagt: Der »Jahrhundertplan« ist nicht weniger als die »Legalisierung« des Faktischen, unannehmbar und dazu gemacht, den Palästinensern zum wiederholten Male vorzuführen, dass sie nicht »konstruktiv mitarbeiten«, sondern die ewigen Verweigerer sind.
Wie soll das auch möglich sein auf der Basis des bereits faktisch Geschaffenen?
Einige Detail zur Geschichte des Landraubs und der planmäßigen Raumeroberung: von ein Prozent Boden in der Hand jüdischer (damals noch) Nachbarn um 1897 über 60 Prozent UN-Zuschlag 1947, was in Kürze nach militärischem Plan zu 70 Prozent bei der Staatsgründung wurde, und 90 Prozent in Israel selbst. Nach dem Militärschlag 1967 und der gezielten Kolonisierung in der Westbank, in Gaza und Ostjerusalem sind heute nicht einmal mehr zehn Prozent des einstigen palästinensischen Raumes nach Völkerbund-Mandats-Aufteilung 1920 in palästinensischer Hand und in palästinensischer Selbstverwaltung.
Inzwischen besetzt fast eine halbe Million orthodoxer, oft militanter »Siedler«, besser Kolonisten, nach internationalem Recht illegal fast 70 Prozent der Westbank. Die Hälfte von ihnen lebt in Großkolonien in und rund um Ostjerusalem. Fast drei Millionen Palästinensern verbleiben nur »Inseln«, besser erzwungene Ghettos. Nicht nur wurden sie durch die staatliche Förderung der Siedlungsprojekte ihres besten Landes beraubt, sondern auch der meisten ihrer Wasserressourcen, Quellen, Brunnen und der tiefliegenden Aquifere unter dem Bergland der Westbank. Israel nutzt sie für die »Begrünung der Wüste« und für ihre Swimmingpools in den Kolonien und im »Kernland«. Neue Brunnen zu bohren wurde den Palästinensern untersagt, die Wasserfrage im »Oslo-Prozess« ausgeklammert.
Die nun vorgeschlagene Landverteilung zeigt ein bekanntes Bild: eine Achtelteilung des »palästinensischen Staatsgebietes«, d. h. eine Verinselung in drei Gebiete um Gaza und den Negevrand, des weiteren in die Region Nablus im Norden, die Region Ramallah, die Region Jericho sowie in eine westlich und eine östlich von Hebron in der sogenannten Westbank. 14 Transitstellen stellen weitere Barrieren für eine Einheit her, die den »Zusammenhang« der »eingemeindeten« Gebiete/Kolonien mit Israel garantieren, nicht den Zusammenhang eines einheitlichen palästinensischen Staatsgebietes. Ausfransungen in alle Richtungen und entlang der »Grenzen« zum Staatsgebiet Israel knabbern weiter an dem, was ein »Staatsgebiet« sein oder werden soll. In allen Gebieten werden insgesamt 17 Großsiedlungen zu absperrenden Enklaven. Die im sogenannten Dreieck lebenden und dort eine Mehrheit bildenden Palästinenser (Araber) sollen ausgebürgert werden.
Das ist endgültiger, als alle staatlichen Pläne zuvor schon andeuteten: der vom Likud-Blog von 1967, der neben Gaza immerhin eine fast durchgehende Fläche von Nablus bis Hebron vorsah, oder vom Likud-Blog von 1980, der allerdings bereits eine Vierteilung der sogenannten Westbank vorsah. Aber allen gemeinsam war und ist die Herauslösung Jerusalems, die Abtrennung des fruchtbaren, wasserreichen Jordantales und eines breiten Streifens entlang der Westgrenze sowie die Ausklammerung von Jerusalem. Danach hat sich die staatliche Förderung der insgesamt illegalen Kolonien bis heute ausgerichtet. 
Nach nun mehr als 50 Jahren gezielter Planung, um den palästinensischen Staat, den die UN im November 1947 versprach, zu verhindern, entspricht die vom »Weißen Haus« vorgelegte Karte am ehesten dem1978 von der Zionistischen Weltorganisation (WZO) vorgelegten »Drobless-Plan«. Der sah eine weitreichendere Zerstückelung der Westbank durch einkreisende Siedlungsblöcke um die großen Städte vor. Das ist inzwischen und vor allem nach Oslo verstärkt Realität geworden und wird nun festgeschrieben. Dazu sollen die Palästinenser »ja« sagen? Sie sollen zustimmen, dass zum Beispiel Hebron, dessen große Teile, die Abraham-Moschee eingeschlossen, nicht mehr zugänglich sind, offiziell Teil Israels wird und die dort äußerst aggressiven »Siedler« weiter ihr Unwesen treiben und täglich Schulkinder, Geschäftsinhaber, Bewohner und Bewohnerinnen der Altstadt bedrohen können?
Nimmt man alles zusammen, sind die beiden Bevölkerungen, die palästinensische und die israelisch-jüdische, vergleichbar groß. Von den circa je sieben Millionen lebt etwa die Hälfte jeweils nicht in Palästina. Beide Seiten beanspruchen ein Rückkehrrecht. Wäre das denkbar in einem binationalen Föderalstaat zum Beispiel mit internationaler Aufbauhilfe, wie Raif Husseini (DPG) vorschlägt? Oder im Rahmen einer »Einstaatenlösung« mit neuen Dörfern auch für palästinensische Rückkehrer im heutigen Israel, wie Suleiman Abu-Sitte (Plands) vorschlägt und auch beweist, dass es geht?
Sicher nicht, wenn Israel selbst nicht den Widerspruch zwischen rassistisch-religiöser Staatsdefinition und demokratischem Staat auflöst und Religion für alle Beteiligten, Juden, Muslime und Christen, zum tragenden Element ihrer nationalen Politik wird. Also kein Licht am Ende des Tunnels, solange die Weltgemeinschaft zuschaut und nicht handelt?
Darüber hinaus gibt es keine Garantie, dass Israel sein Streben nach Einfluss und Kontrolle über Land, Wasser und Raum am Jordan stoppt. Große Teile jordanischer Tourismusareale gehören heute Israelis. Das gleiche gilt für die Türkei, wo aufgrund auffällig großer israelischer Landkäufe der Kauf durch ausländische Käufer beschränkt wurde. Im Nach-Saddam-Irak durch Reaktivierung alter Bodenrechte zugunsten der Kurden wurden ganze Dörfer und Stadtgebiete Bagdads ehemaligen jüdischen Bewohnern, heutigen Israelis, zurückgegeben.
Viktoria Waltz
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.02.2020.