Leserbrief zum Artikel Antikommunistische Justiz: Feindstrafrecht
vom 03.01.2020:
Geist der Inquisition
»Die Tatsache, dass Ihr Unterricht nicht zu beanstanden ist, kann Sie nicht entlasten.« So heißt es in meiner Entlassungsverfügung vom 7. März 1974, die auf Weisung des damaligen Kultusministers Prof. Dr. Peter von Oertzen, angeblich ein SPD-Linker, erfolgte. Die Worte bestätigen, dass die Berufsverbote das Ziel verfolgten, ein weiteres Anwachsen fortschrittlicher, linker Bewegungen im Lande zu verhindern, und nicht etwa, wie auf einem damaligen Plakat der CDU zu lesen, Kinder vor kommunistischer Indoktrination zu schützen.
Wenngleich dieser Sachverhalt mehr als 40 Jahre zurückliegt, atmen Teile des Landes nach wie vor dessen Geist und scheuen auch nicht vor einer entsprechenden Praxis zurück. Insofern wundert mich etwas, dass in besagtem Artikel keine Rede von jenem unglaublichen Fragebogen ist, den in Bayern selbst wissenschaftliche Hilfskräfte an Hochschulen und Universitäten (von Lehrkräften etc. ganz zu schweigen) auszufüllen haben (siehe Anlage).
Bereits im Jahre 2011 erlebte ich das zweifelhafte Vergnügen, einen solchen »Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue« wegen der Durchführung eines Workshops am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München mit der Aufforderung, diesen als Bestandteil meines Honorarvertrages ausgefüllt zurückzusenden, vorgelegt zu bekommen.
Meine Weigerung, diesen Fragebogen zu »bearbeiten«, womit ich die Absage meiner Veranstaltung in Kauf nahm, begründete ich u. a. wie folgt:
»Abgesehen davon, dass die Fragen teilweise inquisitorischen Charakter aufweisen und eher Zweifel an der Verfassungstreue des Autoren bei mir auslösen (die aus meiner Sicht nachhaltigste Unterstützung einer Partei besteht in ihrer Wahl für ein Parlament – soll ich meine Wahlentscheidung dem Staatsminsterium des Innern bekanntgeben?), erscheint mir diese Überprüfung auf dem Hintergrund eines Arbeitsvertrages für drei Workshops maßlos überzogen.«
Das Institut verzichtete daraufhin auf das Ausfüllen des Fragebogens. Anders die Universität Würzburg, wo ich wenige Jahre später einen Lehrauftrag erhielt. Hier wurde auf der Fragebogen-Inquisition bestanden, der ich mich dann letztlich unterzogen habe, da ich seinerzeit keine juristischen oder politischen Wege gesehen habe, dem zu entgehen.
Warum, frage ich mich, füllen Tausende nach wie vor diese Fragebögen aus, warum gibt es keine massive Bewegung gegen diese Art moderner Inquisition, warum hat bisher offensichtlich niemand mit entsprechend politischer und institutioneller Unterstützung (Parteien, Gewerkschaften etc.) den Klageweg gegen diese Form der angeblichen Überprüfung von Verfassungstreue beschritten? Eine Frage, die sich natürlich nachträglich auch mir gestellt hat ...
Wenngleich dieser Sachverhalt mehr als 40 Jahre zurückliegt, atmen Teile des Landes nach wie vor dessen Geist und scheuen auch nicht vor einer entsprechenden Praxis zurück. Insofern wundert mich etwas, dass in besagtem Artikel keine Rede von jenem unglaublichen Fragebogen ist, den in Bayern selbst wissenschaftliche Hilfskräfte an Hochschulen und Universitäten (von Lehrkräften etc. ganz zu schweigen) auszufüllen haben (siehe Anlage).
Bereits im Jahre 2011 erlebte ich das zweifelhafte Vergnügen, einen solchen »Fragebogen zur Prüfung der Verfassungstreue« wegen der Durchführung eines Workshops am Staatsinstitut für Frühpädagogik in München mit der Aufforderung, diesen als Bestandteil meines Honorarvertrages ausgefüllt zurückzusenden, vorgelegt zu bekommen.
Meine Weigerung, diesen Fragebogen zu »bearbeiten«, womit ich die Absage meiner Veranstaltung in Kauf nahm, begründete ich u. a. wie folgt:
»Abgesehen davon, dass die Fragen teilweise inquisitorischen Charakter aufweisen und eher Zweifel an der Verfassungstreue des Autoren bei mir auslösen (die aus meiner Sicht nachhaltigste Unterstützung einer Partei besteht in ihrer Wahl für ein Parlament – soll ich meine Wahlentscheidung dem Staatsminsterium des Innern bekanntgeben?), erscheint mir diese Überprüfung auf dem Hintergrund eines Arbeitsvertrages für drei Workshops maßlos überzogen.«
Das Institut verzichtete daraufhin auf das Ausfüllen des Fragebogens. Anders die Universität Würzburg, wo ich wenige Jahre später einen Lehrauftrag erhielt. Hier wurde auf der Fragebogen-Inquisition bestanden, der ich mich dann letztlich unterzogen habe, da ich seinerzeit keine juristischen oder politischen Wege gesehen habe, dem zu entgehen.
Warum, frage ich mich, füllen Tausende nach wie vor diese Fragebögen aus, warum gibt es keine massive Bewegung gegen diese Art moderner Inquisition, warum hat bisher offensichtlich niemand mit entsprechend politischer und institutioneller Unterstützung (Parteien, Gewerkschaften etc.) den Klageweg gegen diese Form der angeblichen Überprüfung von Verfassungstreue beschritten? Eine Frage, die sich natürlich nachträglich auch mir gestellt hat ...
Veröffentlicht in der jungen Welt am 08.01.2020.