Leserbrief zum Artikel Kino: Die übersprungene Generation
vom 12.12.2019:
Bedingter Beißreflex
Dem Lob für diesen Film kann ich zustimmen. Allerdings missfällt mir die in der jungen Welt schon öfter und jetzt von Schumann wieder geäußerte Kritik an dem Spielfilm »Gundermann«: Dieser verstelle weitgehend hinter einer »Stasikulisse einen differenzierten Blick auf die Gesellschaft und (bediene) Klischees«. Mal abgesehen davon, dass Schumann hier einen Dokumentarfilm mit einem Spielfilm vergleicht, also Äpfel mit Birnen, sehe ich nicht, dass der »Gundermann«-Film hinter einer Stasikulisse Klischees bediene. Es sei denn, man ist der Auffassung, das Thema Stasi dürfe man überhaupt nicht thematisieren, und wer das tue, sei per se ein DDR-Feind und sei wegzubeißen. Der »Gundermann«-Film schildert die Auseinandersetzung, die Gundermann selbst mit seiner Stasi-Vergangenheit hat, mit sich selbst und mit einem Künstler, über den er berichtet hat. Und er führt die Auseinandersetzung so, dass er weder zu Kreuze kriecht noch sich freispricht, sondern zu einer eigenen Position gelangt. Und das ist etwas ganz anderes, als was die Stasi-Behörde, die Westinstanzen und die Medien betrieben haben und betreiben. Oder meint Schumann, dass man sich nicht mit denen auseinandersetzen muss, die man früher bespitzelt und deren Vertrauen missbraucht hat? Ich als Wessi habe überhaupt erst durch den Spielfilm Gundermann entdeckt und finde es geradezu beispielhaft, wie er sich mit seiner Vergangenheit auseinandergesetzt hat, gerade geblieben und seiner Vergangenheit nicht in den Rücken gefallen ist.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 14.12.2019.