Leserbrief zum Artikel NATO-Gipfel London: NATO-Staaten zeigen sich einig
vom 05.12.2019:
Gipfel der Hilflosigkeit
Es war ein Jubiläumsgipfel der Hilflosigkeit, der da in London stattfand. Frankreichs Präsident lehnt die übliche Feindschaft »per se« gegen Russland ab. Der türkische Präsident will die NATO-Stoßrichtung russische Ostgrenze nur unter Akzeptanz seiner eigenen Ziele mittragen. Der in der Not frisch gekürte potentielle Gegner China wurde von Präsident Trump nach eigenem Bekennen für einen neuen Atomwaffenvertrag »begeistert«. Das Verhältnis USA-Frankreich ist nach deplazierten Äußerungen des Präsidenten aus Übersee unterkühlt. Da musste die Bundesrepublik das NATO-Rohr schon ein wenig richten: Demonstrativer Schulterschluss mit Trump, der dem Zusammentreffen mit der Kanzlerin »einen sehr guten Geist« bescheinigte. Russland bleibt für die NATO die große Gefahr im Osten. Die Föderation ist das Risiko für die baltischen Staaten und Polen. Das rechtfertigt dann auch das geplante Manöver »Defender 20« im nächsten Jahr, bei dem 37.000 NATO-Soldaten in Richtung russische Westgrenze in Marsch gesetzt werden. Damit es noch ein bisschen prekärer wird, weist man aus Berlin noch zwei russische Diplomaten aus, die natürlich Mitarbeiter des russischen Geheimdienstes sind. Grund, Strafmaßnahme gegen Russland wegen »ungenügender Aufklärungsbereitschaft« bei einem Mordfall in Berlin, obgleich nicht einmal Indizien vorliegen, dass hier eine kriminelle Handlung mit politischem Hintergrund vorliegt, geschweige eine Beteiligung Russlands. Alle Erklärungen winden sich wie immer in »nicht auszuschließen«, »von der Möglichkeit auszugehen«, »könnte«, »vergleichbar mit dem Fall ...« Sehr unseriös, in jedem Fall aber vergiftend, nämlich die politische Atmosphäre! Das rechtfertigt auch, dass Deutschland europäischer Rüstungsspitzenreiter bleibt und dabei Milliarden verbrennt, unsere Milliarden!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 06.12.2019.