Analyse längst vorhanden
Die amüsanten Beiträge von Lucas Zeise bereichern die jW. Seiner Glosse in der letzten Wochenendausgabe vom November muss ich allerdings widersprechen. Die DDR war zweifelsohne die bessere Gesellschaft. Aber Zeises Spekulationen über deren Untergang sind nicht mit Untersuchungen »Zu den ökonomischen Ursachen für die Niederlage des europäischen Sozialismus« zu erklären, denn hier werden schon wieder die nationale und internationale Politik bzw. das gesamte Umfeld sozialistischer Produktions- und Lebensweise ausgeschlossen. Eine marxistisch-leninistische Analyse schließt Gesamtzusammenhänge ein und darf sich nicht auf Teilgebieten verlaufen wie z. B. dem der Arbeitsproduktivität. Das war nie die Herangehensweise von Lenin und seinen Nachfolgern, wie in »Die nächsten Aufgaben der Sowjetmacht« zu Beginn klargestellt wird. Eine politökonomische Analyse zum Untergang liegt übrigens vor – was nicht von den an ihm beteiligten »demokratischen Sozialisten« zu erwarten ist. Die US-amerikanischen Kommunisten Roger Keeran und Thomas Kenny veröffentlichten bereits 2004 eine umfassende politökonomische Analyse zum Untergang der Sowjetunion (Ursache für den des gesamten europäischen Sozialismus), deren Übersetzung weltweit vertrieben wurde. Nur im stark argumentierenden imperialistischen Deutschland fand sich bisher kein Herausgeber für die von mir in Abstimmung mit den Verfassern gefertigte Übersetzung. Zuerst blieb sie auf Warteschleife, danach reichten die Argumente von »haben wir schon abgehakt« bis »interessiert niemanden (mehr)«. Statt dessen wird parteiübergreifend die Meinung der Bundeszentrale für politische Bildung vertrieben. Unterm Strich schließt sich Lucas Zeise dem leider an.
Alexandra Liebig
Veröffentlicht in der jungen Welt am 03.12.2019.