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Leserbrief zum Artikel Krise und Kapital: Krieg der Krise vom 20.11.2019:

Andere Sichtweise

Wie im o. g. Artikel treffend beschrieben wurde, versucht da Großkapital der Krise mit den üblichen Maßnahmen zu begegnen, also Personalabbau, Verlagerung von Arbeitsplätzen in Billiglohnländern sowie Forderung nach staatlichen Hilfen. Gegenwärtig beklagt sich die Siemens-Gesamtbetriebsratsvorsitzende Birgit Steinborn (im Tagesspiegel vom 25.11., jW) über den »zermürbenden Druck«, der auf die Beschäftigten ausgeübt wird, und fragt in diesem Zusammenhang: »Was ist heute und morgen die Identität von Siemens? Sind wir noch ein Industrieunternehmen oder schon ein Software- oder Plattformunternehmen?« Zur Zeit beabsichtigt Siemens, seinen Energiebereich mit rund 90.000 Mitarbeitern, davon 26.000 in Deutschland, an die Börse zu bringen.

Viel Verständnis für die energieintensiven deutschen Schlüsselbranchen in Sachen Stahl, Chemie und Zement haben hingegen die »Klimaschützer« des Thinktanks »Agora Energiewende« und des Wuppertal-Instituts (für Klimaschutz?) - die bisher beide nicht für große Nähe zur Industrie auffielen: In einer 230 Seiten umfassenden Studie skizzieren sie den Weg zu einer angeblich »klimaneutralen Industrie«, mit Hilfe von »öffentlicher Hand« sollen »Contract-for-Difference-Modelle«, also Verträge für die Entwicklung von »klimafreundlichen Projekten« mit der Garantie für eine gewisse Laufzeit für einen »bestimmten CO2-Preis« abgeschlossen werden. Zur Finanzierung soll eine »Klimaumlage« auf die Endprodukte für Stahl, Aluminium, Zement oder Plastik eingeführt werden. Wichtig sei vor allem, dass die Endprodukte sich auch weiterhin renditeträchtig exportieren ließen.

Auf einer ganz anderen Sichtweise beruht der Finanzmarkt- und Klimakrisenrettungsplan von Grace Blakeley, die Mitglied der Ideenwerkstatt »Labour Policy Forum« ist: »Warum wollten wir jungen Leute den Kapitalismus unterstützen, wenn wir davon ausgehen können, dass wir in unserem Leben nie irgendeine Form von Kapital besitzen werden?« fragt sie (im Freitag vom 21.11., jW) zurück und findet auf die Renaissance des Sozialismus gerade in den USA und in Großbritannien auch sogleich eine Antwort: »Ein Grund sind die Hauspreise. Es ist für die jungen Leute in diesen Ländern klar, dass sie nie Wohnungseigentum besitzen werden. Dazu kommt, dass die meisten jungen Menschen nicht damit rechnen, dass es für sie eine Altersversorgung geben wird.« Für Grace Blakesley gibt es heute »eine Linke, die Umweltaktivismus mit Klassenanalyse verbindet«. Und weil die Reichen die Klimakrise verursacht hätten, weil die »am meisten CO2 in die Atmosphäre blasen«, sollten sie auch für die Kosten eines »Green New Deal« aufkommen.
Iri Wolle, Berlin