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Leserbrief zum Artikel Gedenken an Opfer der Novemberpogrome vom 09.11.2019:

Unbekannte Vokabeln

Die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion von Die Linke, ­Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch, erklärten am Freitag zum 9. November: »30 Jahre Friedliche Revolution und 30 Jahre Mauerfall sind historische Momente von großer Hoffnung und Zuversicht.« Hoffnung und Zuversicht für wen? Was ist die Bilanz? »Der Aufbruch des Herbstes 1989 geht als eine beispiellose Demokratiebewegung in die deutsche Geschichte ein.« Was war daran Demokratie, wie demokratisch lief das? Was waren die demokratischen Akteure dieser Demokratie? Welches Volk? Wie demokratisch wurde die DDR verkauft? »Die Friedliche Revolution war eine historische Leistung, auf die die Ostdeutschen stolz sein können. Doch Hoffnungen und Enttäuschungen lagen nah beieinander. Auf den Aufbruch 1989 folgten Ohnmachtserfahrungen in den 1990er Jahren.« Was war die historische Leistung, und wie sieht die stolze Bilanz aus? »30 Jahre Mauerfall ist heute Auftrag, das Land sozial zu einen und endlich gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen.« Der Mauerfall war das Signal, das Land von allem Sozialen zu befreien, das Niveau herunterzuschrauben, den Osten als Versuchsfeld zu haben. »Die aktuelle Bundesregierung versagt bei diesen Aufgaben. Wir sollten uns an einem solchen Tag fragen, wie es dazu kommen konnte, dass das Land heute sozial, kulturell, politisch zwischen Städten und ländlichen Regionen so gespalten und polarisiert ist wie seit Jahrzehnten nicht mehr.« Die Regierenden haben nicht versagt und versagen auch jetzt nicht. Ihr Auftrag ist nie die Aufhebung all dessen gewesen, was Kapitalismus ausmacht, was er an Ungleichheit an sich hat. »Vor 30 Jahren waren für die meisten Menschen in Ost und West die heutige soziale Spaltung des Landes und die grassierende ökonomische Unsicherheit unvorstellbar.« Für alle Dummen war es unvorstellbar, die vom Kapitalismus nur den Glanz kannten. »Wir treten dafür ein, dass wir spätestens den 35. Jahrestag des Mauerfalls in einem sozialeren und gerechten Land begehen. Und wir brauchen mehr Fairness zwischen Ost und West. Wir fordern kein Extrapaket für den Osten, sondern einen Pakt für föderale Fairness – bei Löhnen, Renten, Personal, Behörden, Forschungseinrichtungen und Bundesunternehmen. Das wäre strukturpolitisch sinnvoll und von hoher Symbolkraft. Es geht um Augenhöhe, die dringend notwendig ist 30 Jahre nach dem Mauerfall.« Fairness ist eine Vokabel, die Kapital nicht kennt.
Roland Winkler, Aue
Veröffentlicht in der jungen Welt am 21.11.2019.
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