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Leserbrief zum Artikel Literaturnobelpreis: Eine hartleibige Geschichte vom 17.10.2019:

Verkehrt angelesen

»Mein« Radio, also mein »Haussender« WDR 3, den ich als Kölner täglich höre, machte gestern und heute viel Meldung über den Literaturnobelpreis und den Deutschen Buchpreis. Es geht natürlich um Peter Handke und um Sascha Stanisic. Letzter stammt aus Visegrad an der Drina (Ivo Andric: »Die Brücke über die Drinax, sehr empfehlenswert). Handke hat auch jugoslawische Wurzeln, nämlich slowenische, aber deutlich mehr Verstand. Stanisic kritisierte lauthals den Preisträger Handke für sein Eintreten für die Serben bzw. das Rumpfjugoslawien, das unter Milosevic zuletzt nur noch aus Serbien und Montenegro bestand. Stanisic bezeichnete den demokratisch gewählten jugoslawischen Präsidenten Milosevic als »Diktator«, der Massenmorde, ja Völkermord begangen habe. Und da Handke sich deutlich auf die Seite der Serben gestellt habe und überdies sogar bei der Beerdigung des in Den Haag ums Leben gekommenen Milosevic in Posarevac (Passarowitz) teilgenommen habe, sei der Nobel-Preis für ihn völlig fehl am Platze. Sprach er und brachte die Radiomoderatoren so richtig in Verlegenheit. Man konnte es richtig hören. Sie mussten nämlich bei aller Handke-Verehrung bei dem Narrativ bleiben, dass die Serben böse sind, die NATO dagegen gut ist. Vor allem im Jahr 1999, als Herr Joseph Fischer, »grüner« BRD-Außenminister, mit den Herrn Schröder und Scharping und mit der netten NATO ein böses Hufeisen-Auschwitz verhindern wollten und mussten. Ja, da kamen die Moderatoren im Radio an ihre Grenzen. Letztlich verzichteten sie darauf, klar Stellung zu beziehen, und zogen sich lieber auf die polnische Preisträgerin Olga Tokarczuk zurück, die sich da einfacher aufgestellt hat: für Liberalismus und Multikulti, gegen die PiS (sie hat ja recht). Eine Nachbemerkung sei mir noch gestattet: Milosevic war nach Den Haag ausgeliefert worden, wurde angeklagt und eingekerkert – wie mehrere Politiker dritt- und viertklassiger, vor allem schwarzafrikanischer Staaten. Er verteidigte sich selber mit großem Geschick. Als er Herzprobleme bekam, verweigerte man ihm eine Behandlung in Moskau. Er starb unter ungeklärten Umständen im Kerker von Den Haag. Seine Unschuld in allen Anklagepunkten ist inzwischen erwiesen, allerdings nie an die große Glocke gehängt und offiziell gemacht worden. Sie kam so heraus: In einem anderen Urteil, nämlich – so meine ich mich zu erinnern – gegen Radovan Karadzic, wurde in einem beigefügten Kommentar beiläufig die Unschuld von Milosevic erwähnt. Sein Leben, aber auch seinen Ruf, das hat der »freie Wertewesten« gründlich zerstört. Und der Narr aus Visegrad, der kleine Stanisic (1978 geboren), dessen Buch »Herkunft« gerade das Wohlgefallen der westdeutschen Linksliberalen gefunden hat , war viel zu jung damals, um für eine ernsthafte Zeugenschaft zu taugen. Er hat sich alles, was er behauptet, nur angelesen, und zwar verkehrt.
Harald Friese, Köln
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.10.2019.
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