Leserbrief zum Artikel Umweltschutz: Marktradikal und unsozial
vom 23.09.2019:
Fossilen Kohlenstoff bepreisen
Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Klimaprogramms ähnelt einer Theatervorstellung, bei der die Karten erst am Ausgang zu unterschiedlichen Preisen verkauft werden. Je nach Geschlecht, Alter, Religion, Beruf usw. werden unterschiedlichen »Austrittsgebühren« erhoben, obgleich alle die gleiche Veranstaltung genossen haben. Die eigentliche Ursache für die Klimaerwärmung ist nicht das bei der Verbrennung entstehende Kohlendioxid, sondern der Einsatz von fossilem Kohlenstoff, der mit den Energieträgern Kohle, Erdöl und Erdgas in den Wirtschaftskreislauf gelangt und in Kraftwerken, Motoren, Heizkesseln oder Flugtriebwerken zu Kohlendioxid verbrannt wird. Mit einer »Klimaschutzabgabe« auf den fossilen Kohlenstoff ließe sich die Ursache der Klimaerwärmung elegant, gerecht und universell bepreisen. Diese Abgabe sollte nicht als Steuer in den großen Topf, sondern zweckgebunden in einen »Klimafonds« fließen, mit dem Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung finanziert werden. Das Problem wird schon vor der Entstehung des Klimagases gelöst, also auch vor dem Einflussbereich der Lobbyisten und vor den Bemühungen der Parteien um Wählerstimmen. Da aus jeder Tonne Kohlenstoff 3.67 Tonnen Kohlendioxid entstehen, entspricht eine Klimaschutzabgabe von 100 Euro pro Tonne Kohlenstoff eine CO2-Bepreisung von etwa 27 Euro pro Tonne. Der klimaneutrale Kohlenstoff von Biomasse bleibt unbelastet. Die Energiewirtschaft wird die Preise für Heizöl, Kraftstoffe und Kohlestrom anpassen. Erst dann werden soziale Unverträglichkeiten erkennbar, die mit Mitteln aus dem Klimafond angemessen kompensiert werden sollten. Mit einer solchen Regelung könnte Deutschland ein weltweit beachtetes Zeichen für den Kampf gegen die Klimaerwärmung setzen. Die Klimaschutzabgabe auf den fossilen Kohlenstoff kann analog zur Verzollung mit geringstem administrativem Aufwand erhoben und sofort per Verordnung und ohne spekulative Diskussionen über mögliche Auswirkungen umgesetzt werden. Weshalb so kompliziert, wenn es auch einfach geht?
Veröffentlicht in der jungen Welt am 01.10.2019.