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Leserbrief zum Artikel DDR 1989: Ab in den Westen vom 11.09.2019:

Verratener Sozialismus

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Roesler,

Ihren Artikel in der jungen Welt vom Mittwoch, dem 11. September 2019, »Ab in den Westen«, habe ich eingehend gelesen und meine: Dazu muss man sich schon unbedingt äußern. Irgendwie bin ich verwundert, wenn jemand über die Konterrevolution schreibt, die zum Ende der DDR führte, dass dem bundesdeutschen Mainstream, den Politikern, den Medien in diesem geschaffenen Gesamtdeutschland wie gewollt zum Munde geredet wird und nicht, aber auch nicht im geringsten, die damals noch existierenden zwei Weltsysteme in die Wahrheitsfindung einbezogen werden. Es ist nicht so gewesen, wie Sie schreiben, dass an diesem wirtschaftlichen Dilemma die Führung der DDR die alleinige Verantwortliche war.
Mittlerweile bin ich 82 Jahre alt und habe in meinem Leben viele Gesellschaftsordnungen durchlebt.
Wurde im Faschismus geboren, erlebte die sowjetische Besatzungszeit, habe mich aktiv am Aufbau der DDR beteiligt und lebe nun schon wieder 30 Jahre in der kapitalistischen Bundesrepublik. Mein Leben galt der Wirtschaft, habe nie im Parteiapparat gearbeitet, war kein Mitarbeiter des MfS und auch nicht deren »Inoffizieller (IM)« und habe mich auch nicht in der Akademie und auch nicht in Unis mit irgendwelchen Ersatzsozialismen beschäftigt.
So arbeitete ich in einer Reihe von Volkseigenen Betrieben als Abteilungsleiter, Produktionsdirektor, Betriebsdirektor und zum Schluss zehn Jahre als Direktor für Materialwirtschaft in einem Kombinat. Also, ich weiß wovon ich rede.
Wir verwirklichten den Grundsatz unserer Verfassung: »Was des Volkes Hände schaffen, soll auch des Volkes eigen sein.«
Wenn ich Ihren Artikel lese, ist es so, als ob jemand den Delegitimierungsanspruch der neoliberalen, sozialismusfeindlichen Parteien und Politiker geltend gemacht hat.
Für Sie ging die DDR kaputt an der falschen Politik der Führung der SED, für Sie trägt diese Partei die alleinige Schuld, Ihrem Artikel nach zu urteilen.
Nun ist sie seit 30 Jahren Geschichte, diese einzige sozialistische Arbeiterpartei auf deutschem Boden.
Acht Jahre habe ich mich mit dieser Problematik beschäftigt, recherchiert, Dokumente gelesen, Zeitzeugen befragt und Archive durchstöbert, und diese Dokumente lügen nicht. So weiß ich nun mittlerweile, wer der SED den Dolch in den Rücken stieß und damit der DDR das Genick brach. (...)
Das Volk wollte Veränderungen, aber kein Ende der DDR. Es gab keine Minute Streik, Industrie, Genossenschaften, Geschäfte, Arztpraxen, Polikliniken, Horte, Kitas und was noch alles haben ihre geregelte Arbeit versehen.
Natürlich haben viele über Ungarn, die BRD-Botschaft in Prag und nach dem Niederreißen der Mauer auch anderweitig die DDR verlassen, aber das kann man doch nicht der Führung der DDR allein zuschreiben, wer das tut, sitzt mit im Boot der bundesrepublikanischen Parteien und Politiker, für die die DDR eine Diktatur und, um mit Ramelow zu sprechen, ein »Unrechtsstaat« war.
Der Osten Deutschlands war schon früher der Hinterhof Deutschlands, außer Braun- und Steinkohle gab es so gut wie keine Rohstofflagerstätten. Während Westdeutschland 90 intakte Hochöfen in Betrieb nehmen konnte, befanden sich lediglich sieben zerstörte Hochöfen im Osten. Trotz einer abgeschlossenen Interzonenvereinbarung verhängte die BRD gegen die DDR in unmittelbarer Folge ein totales Stahlembargo.
Nach dem Ende des Krieges weigerten sich die drei Westsektoren auch, die Reparationskosten als Kriegsschuld an die Sowjetunion zu begleichen, die Wehrmacht des faschistischen deutschen Reiches hatte ja bei ihrem Rückzug im europäischen Teil der Sowjetunion nicht einen Stein auf dem anderen gelassen, verbrannte Erde war übriggeblieben. Sie hatten nicht das geringste Ehrgefühl, für die Totalschäden anteilig aufzukommen. Allein die Ostzone und später die DDR, ihre 17 Millionen Bürger, haben diese Schuld beglichen. Dagegen erhielt die Bundesrepublik aufgrund des in Kraft getretenen Marshallplanes eine 15-Milliarden-US-Dollar-Hilfe aus den USA, nach dem heutigen Währungsstand 127,1 Milliarden US-Dollar. Ihr hatte der Krieg keine Schäden verursacht, im Gegenteil, er brachte ihnen Milliarden Gewinne. Dazu gehörte auch, dass 1947 die Truman-Doktrin in Kraft trat. Seit diesem Zeitpunkt wurde unumwunden und öffentlich erklärt: »Westdeutschland wird als europäischer politisch wie wirtschaftlicher Verbündeter im Kampf gegen den Kommunismus etabliert.« Gleichzeitig galt diese Verkündung auch als Startschuss zur Schaffung aller Voraussetzungen für die geplante Remilitarisierung des westlichen Teils von Deutschland und war somit Auftakt zur Abschottung der Westsektoren vom östlichen Teil Deutschlands. Westberlin wurde Frontstadt, Pfahl im Fleische der sich im antifaschistisch-demokratischen Aufbruch befindlichen sowjetischen Zone, der späteren DDR. Durch die sich anschließende separate Währungsreform wurde die Teilung West von Ost rigoros und planmäßig fortgesetzt. Was hatten die DDR-Bürger trotz alledem in den 40 Jahren aus diesem ehemaligen Hinterhof Deutschlands für einen Industriestandort geschaffen?
Welche Rückschläge aber mussten durch die ständigen westdeutschen Störaktionen hingenommen und durch zusätzliche Anstrengungen wieder Wettgemacht werden. Felder, Strohlagerstätten, selbst Stallungen, in denen sich lebende Tiere befanden, wurden abgefackelt. Werkhallen Volkseigener Betriebe brannten aus, viele Neuentwicklungen wurden aus Tresoren gestohlen und gleich mitsamt den Entwicklungsingenieuren in den Westen geschleust.
Mit der Gründung der BRD schuf Konrad Adenauer ein »Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen«. Dem folgte im Jahre 1952 ein spezieller »Forschungsbeirat für Fragen der Wiedervereinigung Deutschlands«. Dessen Aufgabe darin bestand, bei einer Wiedervereinigung die notwendigen Maßnahmen »wissenschaftlich« erarbeitet sofort zur Hand zu haben. Der einst von Hitler zum Reichskommissar für das deutsche Kreditwesen bestellte Altnazi Dr. Friedrich Ernst wurde durch Adenauer zum Vorsitzenden dieses Forschungsbeirates ernannt.
Das vorgenannte Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen koordinierte alle geplanten Handlungen des Bundesnachrichtendienstes und die Vorhaben der für Planung und Durchführung von Sabotageaktionen geschaffenen Organisationen und staatlichen Institutionen, so war ein gezieltes Vorgehen gewährleistet. Geld spielte keine Rolle, die Störaktionen mussten nur erfolgreich sein und große Schäden in der Entwicklung und beim Aufbau der DDR Wirtschaft anrichten.
Westberlin war zum Schaufenster auserkoren, als die billigste Atombombe nach den Worten des damaligen US-Präsidenten deklariert, für das Ausbluten des Staates, in dessen Mitte diese Frontstadt lag.
Spionageorganisationen siedelten sich an, regelrechte Abwerbebüros beschäftigten sich damit, Fachkräfte aus der DDR für bundesdeutsche Konzerne abzuwerben. Wechselstuben schossen aus dem Boden, 1:3, 1:5, am Ende bis 1:10 wurden die Schwindelkurse hochgetrieben. Viele Bürger der DDR-Hauptstadt arbeiteten in Westberlin und tauschten ihre dort in DM verdienten Monatslöhne in diesen Wechselstuben in DDR-Mark um. Deren Wertschöpfung fand demzufolge in den Westsektoren Berlins statt, die Konsumtion, die Wertabschöpfung vollzog sich in der Hauptstadt der DDR bzw. in den grenznahen Gebieten. Dazu kamen die haufenweise anreisenden Bundesbürger, die ebenfalls ihre DM in Mark der DDR tauschten und die billiger angebotenen »Ostprodukte« aufkauften oder an den Wochenenden die Gaststätten bevölkerten. Damit wurde die Warenzirkulation der DDR erheblich gestört, das war natürlich so gewollt. Es gab regelrechte Invasionen, wenn die Bundesbürger zum Einkaufen einrückten. Porzellanerzeugnisse, Textilien, Bekleidung, Bettwäsche, Säuglingserstausstattungen, Kinderbekleidung einschließlich Spielwaren waren begehrte Erzeugnisse. In den Gaststätten wurden unsere Bürger »plaziert«, weil sich ganze Familien aus der BRD mit den preiswerten Angeboten den »Wanst« vollschlugen.
Es ist nicht möglich, des großen Umfangs und der Brutalität wegen, die vielen Repressalien, Embargos und Handelshindernisse aufzuzählen. Exporterzeugnisse der DDR ob in die BRD, die anderen westeuropäischen Staaten, aber auch in die USA und nach Kanada mussten weit unter dem Preisniveau verkauft werden. Demgegenüber übte die neugeschaffene EWG einheitlich und flexibel durch Höchstpreise für die von der DDR benötigten Importe, einschließlich des Rohstoffbedarfs, maßlosen Druck aus. Sobald die DDR besonderes Interesse an einem Erzeugnis ankündigte, wurden nicht selten Lieferstopp nach sich ziehende Sanktionen ausgesprochen. So mussten wir oftmals das Fahrrad ein zweites Mal erfinden.
Trotzdem befand sich die DDR unter den zehn vorderen Industrienationen der Welt. Übrigens: Ludwig Erhard, Nachfolger von Konrad Adenauer, sagte einst anlässlich der Übernahme des Amtes als Bundeskanzler: »Diese DDR, dieses antifaschistische Gefüge werden wir mit politischen Mitteln niemals in die Knie zwingen können, dieses Ziel werden wir nur mit ökonomischen Zwangsmaßnahmen erreichen.«
Diese Strategie, beharrlich verfolgt, führte schließlich dann auch 1989 zum Erfolg.
Was aber hatten die 17 Millionen DDR-Bürgerinnen und -Bürger in den 40 Jahren des Bestehens ihres Staates trotz des permanenten ökonomischen Krieges der Bundesrepublik und ihrer westeuropäischen Verbündeten für großartige Werte geschaffen? Das alles trotz erheblicher Fehlentwicklungen aufgrund falscher bzw. unrealistischer Entscheidungen ihrer Führung. Erreichtes hier darzustellen ist deshalb um so dringender, weil die in 40 Jahren erreichten Fortschritte und erbrachten Leistungen auch in Ihren Ausführung garantiert bewusst ausgeblendet, also nirgendwo in Ihrem Artikel dargestellt werden.
Allerdings lassen sich diese erbrachten Leistungen nur auszugsweise benennen:
An erster Stelle wäre die Bodenreform zu nennen, sie war Grundlage für die Lebensmittelversorgung der DDR-Bürger ohne Importe. Zusammenschluss der bäuerlichen Einzelgehöfte zu Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften. Das ging bekanntermaßen nicht ohne Widerstände und Schwierigkeiten vonstatten. Doch plötzlich hatten allerdings danach auch in der Landwirtschaft Beschäftigte einen Achtstundentag, Urlaub, Haushaltstage und alle sozialpolitischen Maßnahmen wirkten auch für sie.
Völlig neu errichtet wurden:
Talsperre Sosa,
Talsperre Eibenstock,
Pumpspeicherwerk Markersbach,
Talsperre Pöhl,
Eisenhüttenkombinat Ost,
Max braucht Wasser (Maxhütte Unterwellenborn),
Stahl- und Walzwerk Hennigsdorf (Wiederaufbau),
Bau des Verbundnetzes für die Elektrifizierung des Landes,
Wohnungsbauprogramm (drei Millionen Wohnungen) und dazugehörige Fernwärme,
Erdgasleitung Drushba,
Fährverbindung nach Klaipeda,
Ausbau des Überseehafens Rostock,
Gründung und Investitionen im Maschinenbaukombinat »Fritz Heckert« Karl-Marx-Stadt,
Um- und Ausbau der Leunawerke mit dem dazugehörigen Wohngebiet Halle-Neustadt
Lkw-Werk Ludwigsfelde,
Landmaschinenkombinat Fortschritt Neustadt Sachsen,
Fernsehgerätewerk Stassfurt,
Kühlgerätewerk Scharfenstein,
Waschgerätewerk Schwarzenberg,
die gesamte Fahrzeugindustrie von Ludwigsfelde über Sachsenring bis Erfurt,
Geräte- und Reglerwerk Teltow,
Robotron Dresden,
Mikroelektronik Erfurt und so weiter und so fort.
Natürlich ist es erforderlich, auch die sozialpolitischen Maßnahmen, die ohne Ausnahme allen Bürgern zugute kamen, hier anzuführen:
Das verfassungsmäßige Recht auf Arbeit und damit Vollbeschäftigung,
Schulreform, zehnklassige polytechnische Oberschule für alle,
die Bildung war frei von Gebührenzahlungen,
Gesetz zur Gleichstellung von Mann und Frau,
jedem Kind im Vorschulalter steht ein Kitaplatz zur Verfügung,
Schulkindern steht bei berufstätigen Eltern ein Hortplatz für die Zeit nach dem Unterricht zu,
die Mieten wurden wie alle Grundnahrungsmittel subventioniert, wobei die Miete nur circa drei Prozent des Monatseinkommens eines Werktätigen in Anspruch nahm,
die Subventionen insgesamt wurden von vielen Werktätigen als »zweite Lohntüte« wahrgenommen,
ein Gesundheitssystem, das allen Bürgern ohne zusätzliche Gebühren zur Verfügung stand, davon viele Fachbereiche zentralisiert in neugeschaffenen Polikliniken und universell ausgerichteten Gesundheitszentren, Mutterschutzgesetz, Schwangerschaftsurlaub, Babyjahr, Haushaltstag für Frauen, das Wichtigste aber war, diese DDR hatte das standesgemäße bürgerliche Bildungsmonopol gebrochen. Ein Verdienst, das wie keine andere Maßnahme die demokratischen Ziele des Arbeiter-und-Bauern-Staates zum Ausdruck brachte.
Das war die Verwirklichung des Mottos: »Was des Volkes Hände schaffen, soll auch des Volkes Eigen sein.«
Die Mittel dazu erwirtschaftete die Volkseigene Industrie – Gewinne für den Volkswohlstand flossen nicht in die Taschen irgendwelcher Privatbesitzer der Produktionsmittel.
Gebetsmühlenartig predigt man von Stalinismus, von SED-Diktatur, und der angeblich linke Ramelow unterschreibt eine Erklärung, dass die DDR ein Unrechtsstaat war. Nur, vorgelegt hat noch niemand irgendwelche Diktaturdrangsale. Natürlich hätten Fehlentscheidungen, Verletzungen der sozialistischen Demokratie und viele politische und wirtschaftliche Korrekturen vorgenommen werden müssen, und man hätte den Menschen Wahrheiten über die Ursachen der wirtschaftlichen Lage sagen müssen, so wie Kuba seine Bürger über die US-amerikanischen, gemeinsam mit ihren Vasallen verursachten wirtschaftlichen Schäden informiert. Aber diese Leute, die die sozialistischen Errungenschaften, die dem Kapitalismus abgerungenen Territorien ihm wieder zu Füßen legten, das waren eben keine Sozialisten (...).
Über (den von diesen Leuten propagierten) »dritten Weg« zu schreiben, bereitet mir immer besonderes Vergnügen.
Ein erster Weg wäre der sozialistische Weg, auf dem die Ausbeutung abgeschafft ist. Der zweite Weg wäre der kapitalistische, dem die Ausbeutung »angeboren« ist, wo die geschaffenen Werte in die Taschen der Besitzer der Produktionsmittel fließen, dem Kriege innewohnen (die Schere zwischen Arm und Reich geht dabei immer weiter auseinander, das hätten doch diese studierten Banausen wissen müssen) Na, aber ein dritter Weg? Was soll da herrschen, nicht ohne Ausbeutung, aber auch nicht mit ihr? Soll das nun ein sozialistischer Kapitalismus oder ein kapitalistischer Sozialismus werden? (...) Man redet auch vom demokratischen Sozialismus, nur sagt keiner, welche Demokratie gemeint ist, die sozialistische oder die bürgerliche? Übrigens, das ist schon fast 100 Jahre her, da hat die SPD den demokratischen Sozialismus sogar in ihre Programme aufgenommen. Mittlerweile gab es schon drei SPD-Bundeskanzler, nicht einer von ihnen hat auch nur den Versuch unternommen, ihn ansatzweise zu verwirklichen. Gysi sagte in seinem letzten Sommerinterview als damaliger Fraktionsvorsitzender auf die Frage von Maybrit Illner, was denn nun demokratischer Sozialismus sei: »Ach was, demokratischer Sozialismus, der Kapitalismus ist doch auch nicht schlecht, man muss ihn nur hier und da etwas verbessern.« Erschütternd, in welche Lage dieser staatsstreichartige Putsch die deutsche und internationale Arbeiterklasse gebracht hat. Man kann die politischen Ziele derer schon daran ablesen, dass dieser Gysi zum »Präsidenten der Europäischen Linken« berufen wurde.
Ich stelle mir oft die Frage: Würde es den militärischen Aufmarsch an der Grenze zu Russland geben oder hätte es den Krieg gegen Jugoslawien gegeben, würde diese DDR noch bestehen?
Da gibt es wohl Leute, die eine schwere Schuld auf sich geladen haben!
Die junge Welt (...) hat ein sehr ausgeprägtes Bewusstsein und eine starke Leidenschaft für internationale Solidarität und hat ein beispielhaftes Eintreten für den Internationalismus. Nur, Sozialismus ist nicht ihre Stärke, obwohl sie oft und gern über Karl Marx polemisiert und seine Schriften anpreist, doch vom wissenschaftlichen Sozialismus, von seinen weltverändernden Möglichkeiten, seiner Schaffung einer Welt ohne Krieg und Hunger, da wird es rar in dieser Zeitung, wo man doch mit kleinen vorsichtigen Schritten die Menschen auf einen solchen Weg aufmerksam machen müsste. Ob im Fernsehen oder in Zeitungen und auch Zeitschriften wird der Leser oder Zuschauer oft überrascht von Demonstrationen vieler zusammengeschlossener Vereinigungen, und sie tragen Transparente und Spruchbänder, auf denen sie den Kapitalismus anprangern: Nieder mit dem Kapitalismus; der Kapitalismus ist überholt; Kapitalismus ist der Menschheit Feind; Klimaziele werden nur ohne Kapitalismus erreicht usw. Aber wer sagt diesen Menschen, was nach dem Kapitalismus kommen könnte? Da kommt Gysis Ausspruch nicht an. Es ist doch nicht von der Hand zu weisen, alle Parteien in Deutschland sind dem Kapitalismus zugetan und, gehe ich nach Gysis Worten, also auch die Linke.
An dieser Stelle glaube ich, habe ich alles, was mir zu Ihrem Artikel am Herzen lag, niedergeschrieben, und so will ich es auch dabei belassen.
Ihnen persönlich wünsche ich alles Gute, Gesundheit und vielleicht eine klein wenig Überlegung zur Zukunft der Menschheit.
Mit persönlicher Hochachtung für Sie verbleibe ich
Klaus Glaser, Schwarzenberg
Klaus Glaser, Schwarzenberg
Veröffentlicht in der jungen Welt am 18.09.2019.
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