Leserbrief zum Artikel Linkspartei in der Krise: Ruhe im Karton
vom 13.09.2019:
Gegen die »ein Prozent«
Nach den Katastrophen in Sachsen, Brandenburg und der EU-Wahl darf man nicht »auf Thüringen warten«! Andere Wege müssen schnellstens gesucht und begangen werden. Die Partei Die Linke muss wieder als die Partei gelten, die sich für Arbeiter, Arbeitssuchende und Rentner einsetzt. Möglichst bald müssen genau solche Leute in Funktionen, auf Redeplattformen und vor allem als Kandidaten erkennbar zu sehen und hören sein. Fehlt ihnen etwa die Hochschulbildung? Mangelt es an Politikerfahrung? Da gelten eher Lebenserfahrung und Gefühl für Alltagssorgen! Nicht allein Menschen aus der Produktion – aber gerade auch sie! Ihr bisheriges Fehlen erklärt vieles! Bei jedem Streik, bei jeder Demo, bei jedem Protest müssen Linke möglichst mitorganisieren, aber mindestens dabeisein, nicht immer führend, aber immer sichtbar unterstützend, mit Bannern, Abzeichen, Flugblättern, und zwar nicht akademisch klingenden, welche die Welt ausführlich erklären, sondern knappen, witzigen, sarkastischen, angriffslustigen, attraktiven, worüber die Leute lachen und diskutieren!
Jedesmal, wenn ein Klub, ein Kiezladen, ein Wohnhaus von irgendeinem reichen Besitzer in Luxemburg, Lichtenstein oder auch Lüneburg geschlossen und gentrifiziert wird und dabei Mieter verdrängt und vertrieben werden, muss Die Linke sofort beim Protest mitten drin aktiv sein. In fast jeder Rede, ob im Abgeordnetenhaus, Landtag oder gar im Bundestag, müssen Linke solche Proteste immer wieder unterstützen, auch wenn das irrelevant scheint und sie dafür gerügt werden! Ja, trotzig und frech!
Es wird gesagt, »die Deutschen« oder gar »die Linken« demonstrierten nicht gern. Doch sind sie gern dazu bereit, wenn sie echt bewegt sind. Das sah man bei der Anti-TTIP-Demo, am 8. März, bei »Unteilbar«, bei »Mietstopp« und »Deutsche Wohnen enteignen«. Vor wenigen Wochen liefen Zehntausende von Jugendlichen fröhlich durch Berlins Karl-Marx-Allee – »für Liebe«, mit anziehender Musik auf den Festwagen, guten, ideenreichen Schildern gegen Mietspekulanten und ähnliche Schurken. Hätte nicht Die Linke mit einem schlichten Flyer, vielleicht nur einer Liebeserklärung der Sympathie und einer witzigen Zeichnung wenigstens ein paar Dutzende der jungen Leute gewinnen können? Doch wo war sie?
Gewiss, viele Linke sind betagt und können schwer marschieren. Warum dann nicht mal eine Rollator-Rollstuhl-Demo? Einmal in den USA, direkt am Times Square, blockierten altersbehinderte »Omas« in Hüten und Moden der 1920er Jahren eine Army-Werbestelle. »Warum Jugendliche zum Töten und Sterben schicken?« fragten sie auf ihren Flyern. »Wir Alten kämen mit den afghanischen Frauen friedlich aus!« Sie blieben stur, wurden schließlich verhaftet, kamen in die Medien und hatten, erst recht im Gerichtsaal, die Lacher und viele Sympathien auf ihre Seite. Warum können nicht Linke, alte wie jüngere, statt unter sich zu streiten, auch frech, rebellisch werden? Wo bleiben auffällige Ideen wie der große Anti-Trump-Luftballon in London, die großen Puppenfiguren in New York und einfallsreiche Kostümen wie in Seattle und Portland/Oregon? Die Tierschützer und Greenpeace suchen ja immer neue Ideen! Warum nicht wir?
Und warum, etwa bei einer Demo gegen eine Zwangsräumung, gegen Mieterhöhungen oder fürs Enteignen, kann es nicht einen bunten Festwagen geben, wo Sahra, Katja, Dietmar, Bernd, ja auch Gregor, Oskar und die am Ort bekannten Linken gemeinsam, ja Hand in Hand, eine kämpferische Einheit für wenigstens ein paar Stunden demonstrieren? Und warum können nicht einige gute Künstler – davon gibt es ja auch Linke – einige Lieder zum Mitsingen beitragen, am besten neue, scharfe, witzige? Von der Marseillaise bis »We Shall Overcome« wirkten Lieder sehr! Aber neue!
Und kann nicht Die Linke bei Treffen, Konzerten und Begegnungen aller Art demonstrieren, dass Menschen mit »deutscher« Herkunft und jene mit türkischer, kurdischer, arabischer und afrikanischer Herkunft sich gut zusammentun können – z. B. um einerseits Jugendkonzerte mit verschiedenen Ethnien, andererseits etwa Kietz-Literaturabende vielleicht mit passenden Gedichten von Nazim Hikmet und Goethe oder Herder zu veranstalten, dazu gemeinsamen Aktionen auszudenken – und damit am klügsten, treffsichersten die AfD zu bekämpfen?
Und bei alldem – kann nicht Die Linke klar sagen, dass unmögliche Mieten, das Schließen von Betrieben, das Fehlen von festen Arbeitsstellen bei ärmlichen Renten, der miese Zustand vieler Schulen und der Infrastruktur auf dem Lande – alles mit Profitgier zusammenhängt, mit den Bundeswehr-Milliarden, gefährlichen Militärmanövern, deutscher Expansion und Kriegseinsätzen? Dozieren soll man nicht, aber dennoch Zusammenhänge zeigen.
Die mutigen Worte von Bernie Sanders und den neuen, jungen Abgeordneten in Washington wie Alexandria Ocasio-Cortez (als AOC bekannt) zeigen, dass gerade junge Menschen zunehmend tiefergehende Lösungen suchen, ja sogar weniger Angst vor dem bisherigen Tabuwort »Sozialismus« spüren. Überraschend viele merken, dass auf allen Gebieten, von Pharmazeutik bis Warenlieferung, von der elektronischen »Smart«-Kultur bis zur Waffenherstellung, ein immer kleineres, zunehmend reicheres »ein Prozent« von Milliardären die Welt einnimmt und auch rapide gefährdet! Mit Umweltkollaps, Atomkrieg, Faschismus. Es gilt, vor solchen und ihren Gehilfen zu warnen und gegen sie entschlossen – jedoch freudig – zu kämpfen! Möglichst vor der nächsten Wahl – und vor einer drohender Krise! Und gerade auch, um unsere dringend nötige Partei, Die Linke, vor sich selbst zu retten!
Jedesmal, wenn ein Klub, ein Kiezladen, ein Wohnhaus von irgendeinem reichen Besitzer in Luxemburg, Lichtenstein oder auch Lüneburg geschlossen und gentrifiziert wird und dabei Mieter verdrängt und vertrieben werden, muss Die Linke sofort beim Protest mitten drin aktiv sein. In fast jeder Rede, ob im Abgeordnetenhaus, Landtag oder gar im Bundestag, müssen Linke solche Proteste immer wieder unterstützen, auch wenn das irrelevant scheint und sie dafür gerügt werden! Ja, trotzig und frech!
Es wird gesagt, »die Deutschen« oder gar »die Linken« demonstrierten nicht gern. Doch sind sie gern dazu bereit, wenn sie echt bewegt sind. Das sah man bei der Anti-TTIP-Demo, am 8. März, bei »Unteilbar«, bei »Mietstopp« und »Deutsche Wohnen enteignen«. Vor wenigen Wochen liefen Zehntausende von Jugendlichen fröhlich durch Berlins Karl-Marx-Allee – »für Liebe«, mit anziehender Musik auf den Festwagen, guten, ideenreichen Schildern gegen Mietspekulanten und ähnliche Schurken. Hätte nicht Die Linke mit einem schlichten Flyer, vielleicht nur einer Liebeserklärung der Sympathie und einer witzigen Zeichnung wenigstens ein paar Dutzende der jungen Leute gewinnen können? Doch wo war sie?
Gewiss, viele Linke sind betagt und können schwer marschieren. Warum dann nicht mal eine Rollator-Rollstuhl-Demo? Einmal in den USA, direkt am Times Square, blockierten altersbehinderte »Omas« in Hüten und Moden der 1920er Jahren eine Army-Werbestelle. »Warum Jugendliche zum Töten und Sterben schicken?« fragten sie auf ihren Flyern. »Wir Alten kämen mit den afghanischen Frauen friedlich aus!« Sie blieben stur, wurden schließlich verhaftet, kamen in die Medien und hatten, erst recht im Gerichtsaal, die Lacher und viele Sympathien auf ihre Seite. Warum können nicht Linke, alte wie jüngere, statt unter sich zu streiten, auch frech, rebellisch werden? Wo bleiben auffällige Ideen wie der große Anti-Trump-Luftballon in London, die großen Puppenfiguren in New York und einfallsreiche Kostümen wie in Seattle und Portland/Oregon? Die Tierschützer und Greenpeace suchen ja immer neue Ideen! Warum nicht wir?
Und warum, etwa bei einer Demo gegen eine Zwangsräumung, gegen Mieterhöhungen oder fürs Enteignen, kann es nicht einen bunten Festwagen geben, wo Sahra, Katja, Dietmar, Bernd, ja auch Gregor, Oskar und die am Ort bekannten Linken gemeinsam, ja Hand in Hand, eine kämpferische Einheit für wenigstens ein paar Stunden demonstrieren? Und warum können nicht einige gute Künstler – davon gibt es ja auch Linke – einige Lieder zum Mitsingen beitragen, am besten neue, scharfe, witzige? Von der Marseillaise bis »We Shall Overcome« wirkten Lieder sehr! Aber neue!
Und kann nicht Die Linke bei Treffen, Konzerten und Begegnungen aller Art demonstrieren, dass Menschen mit »deutscher« Herkunft und jene mit türkischer, kurdischer, arabischer und afrikanischer Herkunft sich gut zusammentun können – z. B. um einerseits Jugendkonzerte mit verschiedenen Ethnien, andererseits etwa Kietz-Literaturabende vielleicht mit passenden Gedichten von Nazim Hikmet und Goethe oder Herder zu veranstalten, dazu gemeinsamen Aktionen auszudenken – und damit am klügsten, treffsichersten die AfD zu bekämpfen?
Und bei alldem – kann nicht Die Linke klar sagen, dass unmögliche Mieten, das Schließen von Betrieben, das Fehlen von festen Arbeitsstellen bei ärmlichen Renten, der miese Zustand vieler Schulen und der Infrastruktur auf dem Lande – alles mit Profitgier zusammenhängt, mit den Bundeswehr-Milliarden, gefährlichen Militärmanövern, deutscher Expansion und Kriegseinsätzen? Dozieren soll man nicht, aber dennoch Zusammenhänge zeigen.
Die mutigen Worte von Bernie Sanders und den neuen, jungen Abgeordneten in Washington wie Alexandria Ocasio-Cortez (als AOC bekannt) zeigen, dass gerade junge Menschen zunehmend tiefergehende Lösungen suchen, ja sogar weniger Angst vor dem bisherigen Tabuwort »Sozialismus« spüren. Überraschend viele merken, dass auf allen Gebieten, von Pharmazeutik bis Warenlieferung, von der elektronischen »Smart«-Kultur bis zur Waffenherstellung, ein immer kleineres, zunehmend reicheres »ein Prozent« von Milliardären die Welt einnimmt und auch rapide gefährdet! Mit Umweltkollaps, Atomkrieg, Faschismus. Es gilt, vor solchen und ihren Gehilfen zu warnen und gegen sie entschlossen – jedoch freudig – zu kämpfen! Möglichst vor der nächsten Wahl – und vor einer drohender Krise! Und gerade auch, um unsere dringend nötige Partei, Die Linke, vor sich selbst zu retten!
Veröffentlicht in der jungen Welt am 17.09.2019.