Leserbrief zum Artikel Porträt: Maulkorbträger des Tages: Peter-Michael Diestel
vom 09.09.2019:
Opponent mit Realitätssinn
Selten sehe ich mir MDR-»Riverboat« an, weil ich die Luft zum Atmen in meinem Wohnzimmer nicht durch die Lügen, Verzerrungen und Häme, die bei jeder Gelegenheit gegen die DDR inzwischen schon lange zur Norm geworden sind, verpestet haben will. Das gebietet der Umweltschutz. Als ich beim lustlosen Durchschalten jedoch im MDR das Gesicht von Peter-Michael Diestel sah, war ein wenig Interesse geweckt. Ich erinnerte mich dabei vor allem, trotz weltanschaulicher Gegnerschaft, an sein Vorwort für die zweibändige Dokumentation »Die Sicherheit«. Als ich nach Mitternacht über die Mediathek mir die Sendung anschaute, brach diese allerdings nach der für mich unnötig langen Gesprächsrunde mit Kai Pflaume ab und begann von vorn. Beim dritten Mal gab ich es auf und war zunächst wütend darüber. Dann kam mir die Idee, die Wiederholung für Sonntag zu programmieren. Der Rechtsanwalt Diestel ist eine seriöse Ausnahmeerscheinung mit geschichtlichem Realitätssinn aus der Riege der Gegner des Sozialismus. Und da wird schnell deutlich, wie eng doch die geistigen Grenzen von Meinungsfreiheit gezogen sind und die Zensur einschreitet, wenngleich auch diesmal die Demaskierung nur kurz die Fratze der Heuchelei offenbarte. Der Vorgang ist systemimmanent. Ich erinnere beispielsweise an den Rennfahrer Manfred von Brauchitsch. Der heute 98jährige Rudi Kurz setzte dem politisch mutig auftretenden Mann mit der Verfilmung seiner Biographie ein Denkmal, an dem das »Westfernsehen« Zensur wie an vielen anderen Filmen übte durch Weglassen oder Gar-nicht-Senden. Was u. a. auch in meinem Taschenbuch »Bekenntnisse und Widmungen« aus Anlass des 70. Jahrestages der Gründung der DDR in Zusammenarbeit mit dem OKV (Ostdeutsches Kuratorium von Vereinen e. V.) in einem lyrischen Kaleidoskop dargestellt ist.