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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Politische Soziologie der »Wende«: »Der Osten wird vom Westen verwaltet und beherrscht« vom 13.07.2019:

Im Reich des Nepps

Als 63jährige ehemalige DDR-Bürgerin kann ich der schonungslosen soziologischen Analyse von Yana Milev, dass die DDR vom Westen brutal kolonial erobert und kulturell ausgelöscht wurde, voll zustimmen.
Allerdings wird das Verhalten der Ossis vor und nach der Wende völlig falsch interpretiert. Denn nach meiner Beobachtung war eine große Mehrheit der Ossis bereit, für einen wirtschaftlichen Aufschwung und die »Befreiung« von der sozialistischen Sexual-, Familien- und Arbeitsmoral alles, vor allem ihren »sicheren« Arbeitsplatz und die soziale Sicherheit in ihrem Reich der verfallenden Städte und maroden Betriebe, angesichts einer hoffnungslosen Mangelwirtschaft zu »opfern«. Die DDR-Oberen genauso wie Frau Milev verstanden nicht, dass sich geschichtliche Einbrüche grundsätzlich dann ereignen, wenn die Mehrheit des Volkes ökonomisch und technologisch trotz größter Anstrengungen keinen Fortschritt mehr sieht und systematisch verarmt. Der Marxismus lehrt genau diese Triebkraft jeder Entwicklung (…).
Denn wenn ökonomische Einbrüche oder längerer Stillstand Menschen die Lebenszeit rauben, dann helfen auch keine noch so schönen Phrasen von einer sozialen Gemeinschaft weiter. Auch die heutigen Freiheitsphrasen verpuffen angesichts gravierender Fehlentscheidungen wie (…) der Privatisierung der Bahn, von kommunalen Wohnungen und anderen Daseinsvorsorgeeinrichtungen, der PPP-Verträge, extrem sinnloser Betreibung unzähliger Krankenkassen mit einer riesigen, überversorgten Bürokratenarmee, gewaltigen Privilegien eines überbordenden Beamtenstaates, Aufrüstung und Hetze gegen Russland, Kriegsbeteiligung im Ausland, Sanktionspolitik als imperialistische Machtpolitik auf Kosten des eigenen Volkes, mit Steuergeld gekaufter Freunde wie Polen, Rumänien, Ukraine, horrender Steuergeschenke an Großkonzerne im Rahmen der Leuchtturmpolitik, um schon längst marode und zukunftslose Arbeitsplätze zu sichern (z. B. bei VW, Steinkohle, Werften), ständig neuer Abzocke des Bürgers durch immer neue »Ökoabgaben« – kurz: der Bürger zahlt für die Privilegien und Schulden der Reichen und Karrieristen, damit die trotz unfähiger Wirtschaftspolitik weiterhin extreme Gewinne einfahren können.
Die Bürger in Ost und West erleben gleichermaßen, dass die Feuerwehren kaum noch ausrücken können, Kliniken, Geschäfte aller Art, Polizeistationen und örtliche Ämter aus Geld- und Personalnot schließen müssen und dass Schwimmbäder aus der »guten alten Zeit« vor 40 Jahren sowohl in Ost wie West nicht mehr repariert werden können, so dass selbst der Schwimmunterricht an den Schulen ausfallen muss. Soviel volksfeindliche Misswirtschaft hat nicht mal die DDR gekannt. (…)
So hat der Ossi endlich (…) bekommen, wonach er strebte, nämlich Reichtum und Freiheit im Reich der Nepper, Schlepper und (religiösen) Bauernfänger. Und naiv ehrlich sich in die Brust schlagender Otto Normal aus dem Westen hat im Verein mit den naiven Ossis so nicht nur die eigenen Raffkes, sondern auch die der Ossis bezahlt, und sie bezahlen seit Jahrzehnten gemeinsam das imperiale System EU und NATO. So sind wir vereint als Täter und Opfer zugleich und fühlen uns alle wohl, bis auf die Wähler der AfD.
Kornelia Mücksch, Schkeuditz
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    Sehr gutes Interview! Jetzt wäre allerdings die Frage, wie man sich den Übergang vorzustellen hat von (verkürzt) Treuhandopfer zu (verkürzt) Wählern die »Antisemiten, Rassisten, Chauvinisten und Natio...
    Clemens Messerschmid, Ramallah