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Leserbriefe

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Leserbrief zum Artikel Fehlender Umweltschutz: »Das meiste Geld landet bei großen Betrieben« vom 22.07.2019:

Halbwahrheiten

Wieder einmal wird den Halbwahrheiten der Umweltschützer im Interview auf der zweiten Seite viel Platz eingeräumt. 1.) Es ist richtig, dass die Mittel aus dem EU-Agrarhaushalt für jeden Hektar bewirtschafteter Fläche gezahlt werden. Es ist aber falsch, dass diese Mittel unabhängig von der ökologischen Leistung der Landwirte gezahlt werden. Diese Gelder erhält nur, wer die strengen, Cross-Compliance (CC) genannten Auflagen auf jedem Hektar eingehalten hat. Dies gilt für den kleinen Familienbetrieb genauso wie für den großen Familien- oder Mehrfamilienbetrieb. 2.) Es wird verschwiegen, dass diese EU-Mittel im Landwirtschaftsbetrieb Bestandteil der Erlösstruktur zur Deckung der Herstellungskosten der Produkte und damit Bestandteil des Lohnes der Landwirte bzw. der Beschäftigten sind. Haben diese Menschen nicht auch einen Anspruch auf eine ordentliche Vergütung ihrer Arbeit? 3.) Das angeführte »Höfesterben« hat mehrere Ursachen. a.) Für den Landwirt im kleinen Familienbetrieb gibt es keinen Mindestlohn. Viele Bauern arbeiten für einen Stundenlohn, der oft unter fünf Euro liegt, da die Gesellschaft nicht bereit ist, die Herstellungskosten für gesunde Lebensmittel zu zahlen. Dadurch gibt es oft keinen Hofnachfolger. b.) Die Erlöse für die Produkte eines Landwirtes sind seit 1993/94, abgesehen von Marktschwankungen, im wesentlichen konstant geblieben. Die Kosten für die notwendigen Materialien, egal ob Dünger, Energie, Maschinen, haben sich in dieser Zeit mehr als verdoppelt. Diesem Druck halten nicht alle Bauern stand. c.) Die eingangs genannten CC-Auflagen verlangen von den Landwirten einen extrem hohen bürokratischen Aufwand, der alle Betriebe belastet und der ebenfalls zur Betriebsaufgabe führt. Diese bürokratischen Auflagen tragen oft die Handschrift der Umweltverbände bzw. der Grünen-Politiker. 4.) Warum wird nicht konkret danach gefragt, was diese sogenannte Agrarwende sein soll? Wie stellt sich die Referentin für Agrarpolitik eigentlich eine Landwirtschaft vor, die nicht nur schön aussieht, sondern auch noch die Ernährung der Gesellschaft sichert? 5.) Es wird lediglich auf eine andere Verteilung der Mittel in den Umweltschutz hingewiesen. Das fordert der Verband, der mehr von diesem Geld abbekommen möchte. Eine solche Umverteilung würde den Umstrukturierungsprozess in der Landwirtschaft wesentlich beschleunigen. Es wird also genau das Gegenteil von dem eintreten was angeblich gewollt ist, so wie es im Ergebnis vieler von diesen Verbänden in den letzten Jahren inszenierten Maßnahmen geschehen ist.
Es stellt sich also die Frage, warum wollen der NABU und die anderen Umweltverbände eine andere Verteilung der Mittel? Wenn diesen Fachleuten soviel an der Landwirtschaft liegt, warum diskutiert der NABU nicht mal direkt mit den Bauern? Das Gegenteil ist der Fall. Ich organisiere seit sieben Jahren jährlich auf der Brandenburger Landwirtschaftsausstellung im Rahmen des Projektes »Landwirtschaft im Dialog« Podiumsdiskussionen, auf denen Wissenschaftler, Praktiker und möglichst auch Vertreter der Umweltverbände zu aktuellen Fragen der nachhaltigen Landbewirtschaftung diskutieren. Leider gelingt es mir meist nicht, einen Vertreter dieser Verbände ins Podium zu bekommen.
Wenn in der jungen Welt schon solch ein subjektives Interview abgedruckt wird, sollten dann nicht auch ein oder zwei (ökologisch und konventionell) Landwirte zu Wort kommen?
Werner Franke, Harnekop
Veröffentlicht in der jungen Welt am 23.07.2019.