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Leserbrief zum Artikel Widerstand gegen die Nazidiktatur: Späte Verschwörung vom 20.07.2019:

In Italien gelang es

In Italien war es den Palastverschwörern im Juli 1943 gelungen, den »Duce« zu stürzen und mit der faschistischen Achse mit Berlin zu brechen. Unter dem Druck der antifaschistischen Bewegung traten sie danach auf die Seite der Antihitlerkoalition über und erklärten Hitlerdeutschland den Krieg. Zwei grundsätzlich unterschiedliche Bedingungen wurden dabei sichtbar: Während in Deutschland die imperialistischen Wirtschaftskreise bis fünf Minuten vor zwölf das Hitler-Regime stützten, erkannten diese in Italien, dass nach der Niederlage der Wehrmacht bei Stalingrad Hitlerdeutschland den Krieg nicht mehr gewinnen konnte. Sie wollten in diese Niederlage nicht hineingezogen werden und entledigten sich Mussolinis. Bereits im November 1942 trafen sich in Mailand in der Wohnung des Schwerindustriellen der Eisen- und Stahlbranche, Enrico Falck, führende Großindustrielle mit Marschall Pietro Badoglio, der sich 1940 gegen den Kriegseintritt Italiens ausgesprochen hatte und danach als Generalstabschef des Heeres zurückgetreten war, um einen Bruch mit Hitler zu erörtern. Unter den teilnehmenden bürgerlichen Oppositionellen befand sich Alcide De Gasperi von den Christdemokraten. Danach kam es zu ersten Sondierungen mit Washington und London über ein Ausscheiden aus der Achse mit Berlin.
Die Kapitalkreise handelten unter dem Druck der breiten antifaschistischen Einheitsfront, die die Kommunistische Partei (IKP) auf der Grundlage des mit der Sozialistischen Partei 1934 geschlossenen Aktionseinheitsabkommen zustande gebracht hatte. 1942 bildeten Kommunisten, Sozialisten und bürgerliche Oppositionsgruppen ein Komitee der nationalen Einheit, aus dem nach dem Sturz Mussolinis und der Okkupation Nord- und Mittelitaliens im September 1943 durch die Hitlerwehrmacht das Nationale Befreiungskomitee aller Oppositionsparteien hervorging. Als im März 1943 in ganz Norditalien von der IKP organisierte Antikriegsstreiks begannen, befürchteten die Palastverschwörer, ein antifaschistischer Volksaufstand könne Mussolini stürzen, und schritten zur Tat.
Auch in Italien hatten die an der Palastrevolte beteiligten führenden Militärs bis dahin aktiv die kriegsverbrecherische und völkerrechtswidrige Politik Mussolinis unterstützt. Mit den Industriellen und unterstützt von der Kurie, wollten auch sie, wie die US-amerikanische Zeitschrift Life am 14. Dezember 1943 schrieb, »sich von Mussolini und den Deutschfreundlichen befreien, das System aber erhalten«.
Diese Pläne wurden durch die von IKP-Generalsekretär Palmiro Togliatti konzipierte »Wende von Salerno«, den Eintritt der Kommunisten und Sozialisten mit den bürgerlichen Oppositionsparteien mit den Christdemokraten an der Spitze im April 1944 in die von Badoglio gebildete Regierung, die damit auf eine antifaschistische Linie des Nationalen Befreiungskrieges gegen das Besatzungsregime der Hitlerwehrmacht verpflichtet wurde, vereitelt. Auf die »Wende von Salerno« nahm die UdSSR beträchtlichen Einfluss. In einem Alleingang erkannte sie vorher am 13. März 1944 die Badoglio-Regierung diplomatisch an. Damit wurde diese aufgewertet, und die Ziele der westlichen Alliierten, Italien als besetztes Land zu behandeln und ihm den Status eines gleichberechtigten Mitglieds der Antihitlerkoalition zu verwehren, wurden durchkreuzt.
Bei Einbeziehung dieser unterschiedlichen Bedingungen wäre bei einem Gelingen des Attentats gegen Hitler auch hier der Einfluss der UdSSR, wenn auch begrenzter als in Italien, in Betracht zu ziehen gewesen.
Gerhard Feldbauer
Veröffentlicht in der jungen Welt am 23.07.2019.
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