Leserbrief zum Artikel 30 Jahre »Wende«: Das vergessene Gespräch
vom 11.07.2019:
Heiligste Kühe
Die Werbung für das Buch von Egon Krenz »Wir und die Russen. Die Beziehung zwischen Berlin und Moskau im Herbst ’89« ist bei mir auf fruchtbaren Boden gefallen.
Als entscheidenden Mangel des Buches empfinde ich, dass über die »heiligste aller heiligen Kühe« (Hermann Klenner), die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei als den Verfassungsgrundsatz der DDR, so gut wie nichts ausgeführt wurde.
Am 20. November 1989 gab es ein Gespräch des Vorsitzenden des Staatsrates Egon Krenz und Ministerpräsident Hans Modrow mit dem Bundesminister Seiters in der Hauptstadt der DDR, bei dem mit geteilt wurde, dass die eingeleitete Entwicklung unumkehrbar sei und der »Führungsanspruch« der SED aus der Verfassung gestrichen wird. (Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, Dokumente zur Deutschlandpolitik, Oldenbourg 1998, Seite 550). Der letzte amtierende Vorsitzende des Staatsrates, Manfred Gerlach, hat in seinem Buch »Mitverantwortlich. Als Liberaler im SED-Staat« (Morgenbuchverlag 1991) sehr ausführlich über die praktische Handhabung der führenden Rolle der SED und die damit verbundene »Sinnentleerung der Blockpolitik« (ebenda, S. 180) geschrieben. Kein Wort bei Egon Krenz!
Bei Hans Modrow (»Aufbruch und Ende«, Konkret-Literatur-Verlag 1991, Seite 56) heißt es: »Bald nach der Bildung der Großen Koalition war mir klar, dass die führende Rolle der SED mit dem Wirken aus nationaler Verantwortung nicht mehr vereinbar war. In der damaligen Fraktion stellte ich daher am 1.12.1989 den Antrag, aus Artikel 1 der Verfassung den Passus ›unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei‹ zu streichen. Das war für mich kein formaler Akt, er sollte vielmehr Zeichen setzen für den durchgreifenden Prozess der Demokratisierung im Land und die neue Form gleichberechtigter Zusammenarbeit in der Großen Koalition unterstreichen.«
Wieviel Stunden zwischen Antrag in der SED-Fraktion und Änderung der Verfassung in der Volkskammer vergingen, weiß ich nicht.
Als entscheidenden Mangel des Buches empfinde ich, dass über die »heiligste aller heiligen Kühe« (Hermann Klenner), die führende Rolle der marxistisch-leninistischen Partei als den Verfassungsgrundsatz der DDR, so gut wie nichts ausgeführt wurde.
Am 20. November 1989 gab es ein Gespräch des Vorsitzenden des Staatsrates Egon Krenz und Ministerpräsident Hans Modrow mit dem Bundesminister Seiters in der Hauptstadt der DDR, bei dem mit geteilt wurde, dass die eingeleitete Entwicklung unumkehrbar sei und der »Führungsanspruch« der SED aus der Verfassung gestrichen wird. (Deutsche Einheit. Sonderedition aus den Akten des Bundeskanzleramtes 1989/90, Dokumente zur Deutschlandpolitik, Oldenbourg 1998, Seite 550). Der letzte amtierende Vorsitzende des Staatsrates, Manfred Gerlach, hat in seinem Buch »Mitverantwortlich. Als Liberaler im SED-Staat« (Morgenbuchverlag 1991) sehr ausführlich über die praktische Handhabung der führenden Rolle der SED und die damit verbundene »Sinnentleerung der Blockpolitik« (ebenda, S. 180) geschrieben. Kein Wort bei Egon Krenz!
Bei Hans Modrow (»Aufbruch und Ende«, Konkret-Literatur-Verlag 1991, Seite 56) heißt es: »Bald nach der Bildung der Großen Koalition war mir klar, dass die führende Rolle der SED mit dem Wirken aus nationaler Verantwortung nicht mehr vereinbar war. In der damaligen Fraktion stellte ich daher am 1.12.1989 den Antrag, aus Artikel 1 der Verfassung den Passus ›unter Führung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei‹ zu streichen. Das war für mich kein formaler Akt, er sollte vielmehr Zeichen setzen für den durchgreifenden Prozess der Demokratisierung im Land und die neue Form gleichberechtigter Zusammenarbeit in der Großen Koalition unterstreichen.«
Wieviel Stunden zwischen Antrag in der SED-Fraktion und Änderung der Verfassung in der Volkskammer vergingen, weiß ich nicht.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 19.07.2019.