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Leserbrief zum Artikel Politische Soziologie der »Wende«: »Der Osten wird vom Westen verwaltet und beherrscht« vom 13.07.2019:

Klassenfrage entscheidend

(…) Es wird immer mal angebracht sein den Gegensatz Ost-West zu thematisieren. Das sollte aber nie den wesentlichen, übergeordneten Konflikt und Gegensatz vergessen machen. Wenn wir verallgemeinernd das Wessi-Ossi-Klischee bedienen, wie verorten wir dann Menschen, derer mir viele als Wessis politisch sehr nahe sind, die ich kennenlernen durfte, mit denen ich gemeinsam politisch gearbeitet haben, mit denen nie ein Wessi-Ossi-Problem bestand, bestenfalls unterschiedliche Erfahrungen, Niederlagen, Fehler und das gemeinsame Ziel das Thema sind? Mit »verwestlichter« Partei ist nichts anzufangen. Wer um die Entstehung der PDS aus der SED weiß, wer die Folgen für die DKP kennt, den Aderlass der Partei, das mühsame Neufinden und dann der Weg von der WASG bis zur Partei Die Linke, wo ist da »Verwestlichung« auszumachen?
»Der Osten wird vom Westen verwaltet und beherrscht«, aber wer sind die Verwalter und Beherrscher des Ostens? Meine Freunde und Genossen nicht, meine Kolleginnen und Kollegen in der Firma nicht, die Gewerkschafter und viele andere auch nicht, zu denen ich 20 Jahre lang als Wessi mit Wessis viel Gemeinsames hatte und bis heute habe. Die Frage nach den Krupps und den Krauses ist zu stellen – und nicht nach Wessis oder Ossis. Wer hat den Krupps den roten Teppich ausgerollt, sie ehrfürchtig erwartet und herbeigesehnt?
Das Oben und Unten weglassen, von Wessi und Ossi reden, die Klassenfrage nicht mehr stellen wollen: Dann entsteht ein Ost-West-Konstrukt zu »Wende« und Konterrevolution, bei dem die wesentlichen Themen, um die es von Beginn an ging und bis heute geht – Macht, Herrschaft, Einfluss, Rückeroberung eines Teils verlorenen Deutschlands – unter den Tisch fallen. An die Stelle der Diktatur des Proletariats, die es real nicht war, trat die Diktatur des Kapitals als sehr reale Erfahrung. Es stellt sich heute wie zu Marx' Zeiten die Fragen: Wohin gehören wir? Woher kommen wir? Womit bestreiten wir unseren Lebensunterhalt? Wer wird damit reich und wer bleibt arm, wird ärmer? Die Klassenfrage bleibt, ob wir sie beim Namen nennen oder nicht sehen wollen, wegreden oder -beten.
Wessi-Erfahrungswelten kennen Berufsverbote, Verfolgung von Kriegsgegnern und Kommunisten, Radikalenerlass und auch Überwachung, Bespitzelung vom Klassen-(Rechts-)Staat, in dem Nazis nach dem Krieg bestens aufgehoben waren, in höchste Ämter kamen, über ihre Opfer wieder richten konnten.
Roland Winkler, Aue
Weitere Leserbriefe zu diesem Artikel:
  • Im Reich des Nepps

    Als 63jährige ehemalige DDR-Bürgerin kann ich der schonungslosen soziologischen Analyse von Yana Milev, dass die DDR vom Westen brutal kolonial erobert und kulturell ausgelöscht wurde, voll zustimmen....
    Kornelia Mücksch, Schkeuditz
  • Dreinschicken

    Sehr gutes Interview! Jetzt wäre allerdings die Frage, wie man sich den Übergang vorzustellen hat von (verkürzt) Treuhandopfer zu (verkürzt) Wählern die »Antisemiten, Rassisten, Chauvinisten und Natio...
    Clemens Messerschmid, Ramallah