Leserbrief zum Artikel Zeitgeschichte: Wenn der Walter mit dem Iwan
vom 06.06.2019:
Lauter Eigentore
Es mag ja sein, dass das rezensierte Buch schlecht gemachter und ungenügend belegter »Klassenkampf der Bourgeoisie« ist. Aber wenn man ein Buch schon so bezeichnet, sollte die Begründung dazu doch etwas stichhaltiger sein. Und wenn es nun »die Fehler auf Seite 9« sind, die die Mängel des Buches nach Meinung des Rezensenten am besten deutlich machen, dann sind die Argumente in diesem Artikel dafür leider so dürftig, dass sie eigentlich das Gegenteil belegen.
Da hätten wir also:
a. Ilse Stöbe kann nicht von »Moskau verraten« worden sein, weil sie gar nicht dort war. Dass die Gruppe um Scheliha und Stöbe als Teil der Roten Kapelle letztlich wegen eines nicht nur »abgefangenen«, sondern auch äußerst dilettantischen unverschlüsselten Funkspruchs aus Moskau aufgeflogen ist und die Behauptung »von Moskau verraten« somit so falsch nicht ist, wird nicht erwähnt. Und außerdem: warum hätte Moskau nur Leute »verraten« können (bzw. sollen?), die körperlich in Moskau waren?
b. Dass in der DDR Ilse Stöbe »lange verschwiegen« wurde, kann man ehrlicherweise nicht abstreiten. Erst ab Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre wurde über sie geschrieben. Bis dahin war sie jahrzehntelang weder hüben noch drüben noch bei dem großen Bruder ein Thema. Was angesichts ihrer Verbindungen zu Rudolf Herrnstadt und weiteren (aus damaliger Parteisicht zweifelhaften) Leuten aus dem Widerstand (und der GRU) zumindest in der DDR nicht wirklich verwunderlich ist. Auch wenn das nicht schön war: Das Gegenteil ohne Belege einfach zu behaupten ist einfach nur unseriös.
c. Hier widerspricht sich der Rezensent selbst. Einerseits wirft er dem Autor des Buches vor, die Behauptung, »Ilse Stöbe hätte Stalin den deutschen Angriffstermin übermittelt«, sei falsch. Ein paar Zeilen tiefer räumt er ein, Ilse Stöbe habe »ein Ende der deutschen Kriegsvorbereitungen bis Juni 1941« gemeldet …
d. Hier wird nun die Geschichtsbetrachtung des Rezensenten geradezu komisch. Zu behaupten, Stalin habe die Warnungen vor dem deutschen Überfall geradezu ignorieren müssen, weil sie zu zahlreich waren, ist ja schon sehr grotesk. Und warum Stalin geglaubt haben muss, dass die Deutschen nur »bis Mai hätten angreifen können, um den Winterkrieg zu vermeiden«, bleibt Exklusivwissen des Rezensenten. Dass schon über 100 Jahre früher auch Napoleon mit seinem Einmarsch nach Russland Ende Juni noch genügend Zeit zu haben glaubte, um vor dem Winter »fertig« zu sein, wird Stalin sicher gewusst haben. Obwohl es da noch gar nicht Begriffe wie »Blitzkrieg«, »Panzerspitzen« und »Luftwaffe« gab ...
Es ist ja sehr lobenswert in dieser Zeit, wenn man ideologisch gefärbte Geschichtsklitterung bürgerlicher oder ahnungsloser Autoren als solche entlarvt. Und auch dieses Buch könnte das ja möglicherweise verdient haben. Wenn man das allerdings so wie in dieser Rezension macht und sich mit vier herausgestellten Beispielen gleich vier Selbsttore schießt, dann wird’s einfach nur peinlich.
Da hätten wir also:
a. Ilse Stöbe kann nicht von »Moskau verraten« worden sein, weil sie gar nicht dort war. Dass die Gruppe um Scheliha und Stöbe als Teil der Roten Kapelle letztlich wegen eines nicht nur »abgefangenen«, sondern auch äußerst dilettantischen unverschlüsselten Funkspruchs aus Moskau aufgeflogen ist und die Behauptung »von Moskau verraten« somit so falsch nicht ist, wird nicht erwähnt. Und außerdem: warum hätte Moskau nur Leute »verraten« können (bzw. sollen?), die körperlich in Moskau waren?
b. Dass in der DDR Ilse Stöbe »lange verschwiegen« wurde, kann man ehrlicherweise nicht abstreiten. Erst ab Ende der 60er/Anfang der 70er Jahre wurde über sie geschrieben. Bis dahin war sie jahrzehntelang weder hüben noch drüben noch bei dem großen Bruder ein Thema. Was angesichts ihrer Verbindungen zu Rudolf Herrnstadt und weiteren (aus damaliger Parteisicht zweifelhaften) Leuten aus dem Widerstand (und der GRU) zumindest in der DDR nicht wirklich verwunderlich ist. Auch wenn das nicht schön war: Das Gegenteil ohne Belege einfach zu behaupten ist einfach nur unseriös.
c. Hier widerspricht sich der Rezensent selbst. Einerseits wirft er dem Autor des Buches vor, die Behauptung, »Ilse Stöbe hätte Stalin den deutschen Angriffstermin übermittelt«, sei falsch. Ein paar Zeilen tiefer räumt er ein, Ilse Stöbe habe »ein Ende der deutschen Kriegsvorbereitungen bis Juni 1941« gemeldet …
d. Hier wird nun die Geschichtsbetrachtung des Rezensenten geradezu komisch. Zu behaupten, Stalin habe die Warnungen vor dem deutschen Überfall geradezu ignorieren müssen, weil sie zu zahlreich waren, ist ja schon sehr grotesk. Und warum Stalin geglaubt haben muss, dass die Deutschen nur »bis Mai hätten angreifen können, um den Winterkrieg zu vermeiden«, bleibt Exklusivwissen des Rezensenten. Dass schon über 100 Jahre früher auch Napoleon mit seinem Einmarsch nach Russland Ende Juni noch genügend Zeit zu haben glaubte, um vor dem Winter »fertig« zu sein, wird Stalin sicher gewusst haben. Obwohl es da noch gar nicht Begriffe wie »Blitzkrieg«, »Panzerspitzen« und »Luftwaffe« gab ...
Es ist ja sehr lobenswert in dieser Zeit, wenn man ideologisch gefärbte Geschichtsklitterung bürgerlicher oder ahnungsloser Autoren als solche entlarvt. Und auch dieses Buch könnte das ja möglicherweise verdient haben. Wenn man das allerdings so wie in dieser Rezension macht und sich mit vier herausgestellten Beispielen gleich vier Selbsttore schießt, dann wird’s einfach nur peinlich.
Veröffentlicht in der jungen Welt am 07.06.2019.