Leserbrief zum Artikel Großdemonstrationen am Sonntag
vom 17.05.2019:
Spirale der Ungleichheit
Es ist normal und menschlich, sich an einen erreichten Lebensstandard zu gewöhnen. Schwierig wird es, wenn dieser Standard nicht mehr zu halten ist: Man wehrt sich mit Händen und Füßen gegen den Verlust des Status quo. Bereits vielen Bürgern ist es aus unterschiedlichen Gründen so ergangen. Wenn nun immer lauter die Forderung nach gerechter Verteilung der erarbeiteten Güter auf alle Mitglieder der Gesellschaft gestellt wird, rücken diejenigen in den Fokus, denen das gar nicht recht ist. Sie haben als Anleger über die Jahre riesige Vermögen angehäuft, die sich »von allein« vergrößern. Natürlich gibt es solche Zuwächse nicht umsonst: Viele, viele Menschen müssen dafür sehr produktiv arbeiten, ohne eine angemessene Entlohnung zu erhalten. Der daraus entstehende Gewinn wird vom Geldgeber abgeschöpft und lässt – da die Politik Reichtümer kaum besteuert – das Vermögen weiter anwachsen. Wenn die gewohnte Rendite nachlässt, muss die Produktivität der Arbeit vergrößert werden. Dies geschieht in der Regel durch Verschlechterungen für die Arbeitskräfte: »Verschlankung« steht für Entlassungen, Leichtlohn und Aufstockung aus Steuermitteln. Eine Spirale ohne Ende? Unmöglich.